Weißer Rauch über Mekka
: KOMMENTAR VON GEORG BALTISSEN

Alle Seiten haben ihr Gesicht wahren können: Die Hamas stellt mit Ismael Hanijeh weiterhin den Premierminister und behält damit ihr Aushängeschild. Die wichtigen Ressorts Inland, Außenpolitik und Finanzen gehen an Unabhängige, die in den USA und in Europa das gewünschte Ansehen genießen. Über eine Mehrheit der Minister verfügt weder die Hamas noch die Fatah in dieser Regierung.

Dieser Kompromiss spiegelt den dominanten Einfluss regionaler wie internationaler Mächte auf die zerstrittene palästinensische Nationalbewegung wider. Für diese wäre es freilich schon ein Erfolg, wenn die Straßenkämpfe in Gaza jetzt ein Ende finden würden und Hamas und Fatah zumindest den Blutrache-Feldzügen einzelner Clans Einhalt gebieten würden. Unzweifelhaft wäre bei einigem guten Willen ein solches Ergebnis auch schon vor drei oder vier Wochen möglich gewesen. Es hätte der fast hundert Toten der vergangenen Monate nicht bedurft. Gleichwohl hat nicht der bloße Blick auf die Kaaba in Mekka die feindlichen Glaubensbrüder zum Einlenken genötigt. Es war auch nicht die religiöse Autorität des saudischen Hüters der heiligen Stätten, die Hamas und Fatah in friedfertige Musterknaben verwandelt hätte. Es war die berechtigte Angst vor dem eigenen Kollaps, die die ungleichen Brüder in Mekka zeitweilig zu Verbündeten von US-Regierung und Königshaus werden ließ. Andererseits liegt es im Interesse der USA und der Saudis, den iranischen Einfluss in der Region zurückzudrängen und wenigstens den palästinensischen Brandherd auszutreten. Ohne die religiös autoritäre und finanzkräftige arabische Hand in Riad aber hätte diese Politik kaum als arabisch-palästinensische Versöhnung durchgehen können.

US-Regierung und Europäer werden nach der gebotenen Schamfrist und bei einer dauerhaften Waffenruhe im Gaza-Streifen den Boykott der palästinensischen Autonomieregierung zumindest lindern, wenn nicht ganz aufheben. Wenigstens dieses Versprechen dürften die Saudis der US-Regierung für ihre guten Dienste abverlangt haben. Dieser Deal dürfte bei der israelischen Regierung in Jerusalem für Unbehagen sorgen – denn sie hat ihre Politik auf diesem Boykott aufgebaut.