Jammern auf hohem Niveau

Im Postbahnhof durfte ein jodelnder Alec Ounsworth mit seinen Clap Your Hands Say Yeah zeigen, wie kompetent die Band derzeit in Sachen Indierock ist. Auch die elektronischen Störgeräusche haben live prima funktioniert

Diese Stimme! Wie soll man denn das jetzt schon wieder beschreiben? In irgendeiner Weise müssen die Wörter „jammern“ und „jaulen“ natürlich fallen. Aber das klingt viel zu negativ. Entfernt kann man sich auch an Jodeln erinnert fühlen. Der Gesangsstil, den Alec Ounsworth zelebriert, ist ein höchst eigenwilliger – und man muss schon mit ihm klarkommen, um seiner Band Clap Your Hands Say Yeah etwas abgewinnen zu können. Wie man hört, brauchten selbst viele Fans dazu eine gewisse Eingewöhnungszeit. Sobald man sich aber eingehört hat, geht dieser Gesang wunderbar nach vorne los. Dann kann dieses dynamische Indie-Jammern problemlos Ohrwurmqualitäten entwickeln. Und wer so eine Stimme hat, braucht sich um Wiedererkennbarkeit sowieso keine Sorgen mehr zu machen.

Freitagabend traten CYHSY also im vollbesetzten Postbahnhof auf, und ein angenehm zwischen alten Indie-Hasen und jungen Dancefloor-Queens gemischtes Publikum konnte sich davon überzeugen, wie Ounsworth seine komplexen Wechsel zwischen Ober- und Unterstimme live rüberbringt. Erstaunlich mühelos, kann man sagen. Offensichtlich ist sein Gesangsstil gar nicht so sehr Attitüde, wie man sich das vom Hören der Platten gedacht hatte. Er ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Dabei hat der junge Mann aus New York ja wirklich einiges zu tun bei den überraschenden Rhythmuswechseln, den komplizierten Textzeilen und eben den eigenwilligen Tonfolgen, die die Songs dieser fünf Amerikaner ausmachen. Aber Ounsworth schüttelt das alles aus seiner Kehle, ohne dabei blasiert zu wirken. Sympathisch locker kommt das rüber. Jammern auf hohem musikalischem Niveau sozusagen.

Auch die vier anderen Musiker vermitteln vor allem einen Eindruck: Kompetenz. Ein eingespieltes Team in beinahe klassischer Bandstruktur. Schlagzeug und Bass sorgen für einen Rhythmus, bei dem man sich stets in guten Händen weiß, auch wenn man sich nie sicher sein kann, dass nicht im nächsten Augenblick ein überraschender Wechsel erfolgt. Zwei andere Musiker wechseln sich mit Gitarren und Keyboards ab und sorgen sowohl für die Gitarrenteppiche und diese elektronischen Störgeräusche, die CYHSY auf immer wieder eigene Weise in ihre Lieder einbauen, mal als rhythmisch aufklingendes hohes Piepen, mal als aggressives Rauschen. Beim aktuellen Album, „Some Loud Thunder“, wackelte man beim ersten Hören unwillkürlich mit dem iPod, weil man das Gefühl hatte, hier könne die Festplatte nicht ganz richtig justiert sein. War dann aber alles beabsichtigt, und auch das kriegt diese Band live prima hin. Wie sie so in Poloshirt oder Ringelpulli (nur Ounsworth trägt blaues Hemd und Weste) oben auf der Bühne stehen, denkt man, dass sie sowieso eher an Handwerk als an Aura interessiert sind.

Überhaupt ein sehr diszipliniertes Konzert. Um 21.30 Uhr sei Stage Time, wurde einem vorher gesagt. Um Punkt 21.30 Uhr standen Ounsworth und seine Mannen oben auf der Bühne. „Satan Say Dance“, der aktuelle Hit, war gleich das zweite Lied, es wirkte aber noch ein bisschen steril, auch wenn sich da die Lichttechniker einiges mit den roten Scheinwerfern ausgedacht hatten. Nachdem Ounsworth im vierten Stück dann aber den Refrain „Is It Love“ intoniert hatte, konnte man auch sehen, wie tanzbar diese Musik, so intellektuell sie manchmal wirkt, tatsächlich ist. Höhepunkt des Konzerts war dann ein etwa fünfminütiger Loop, zu dem auch ein Posaunist, ein Klarinettist und ein Saxofonspieler auf die Bühne gebeten wurden.

Punkt 22.30 Uhr war’s dann vorbei. Eine Zugabe noch. Offenbar sind CYHSY keine Band, die sich verausgabt, sondern eher eine, die ihre Eigenheiten als Kapital kultiviert und ein ehrliches Stück Qualitätsarbeit abzuliefern bestrebt ist. Das hat denn auch prima geklappt.

DIRK KNIPPHALS