Im Libanon verhärten sich die Fronten

Hisbollah-Chef Nasrallah ruft seine Anhänger auf, sich für Massenproteste zum Sturz der Regierung bereitzuhalten

BEIRUT taz ■ Im Palace Café an Beiruts Uferpromenade zeigt sich, wie sehr der Libanon politisch polarisiert ist. Auf den großen Bildschirmen für die Gäste läuft ein amerikanischer Spielfilm, während sich die Angestellten hinten in der Küche vor einem kleinen Schwarzweißfernseher drängen und konzentriert der neusten Rede des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah lauschen. Selbst die Ober bedienen mit Kopfhörern im Ohr, weil sie Nasrallahs Worte nicht verpassen wollen. „Der Besitzer des Cafés hat uns verboten, vorne auf den Hisbollah-Sender Manar zu schalten“, erklärt einer der Kellner. „Er unterstützt die Regierung, wir alle in der Küche aber wollen aber Nasrallah hören.“

Der Hisbollah-Chef auf dem kleinen Bildschirm ruft zum Sturz der Regierung auf. Die ganze Rede vermittelt den Eindruck, dass die Schiitenorganisation kurz davor steht, ihre Anhänger zur letzten großen innenpolitischen Schlacht zu mobilisieren.

Die Regierung von Ministerpräsident Fuad Siniora sei verfassungswidrig, sagt Nasrallah. „Die Regierung ist in Wirklichkeit der Befehlsempfänger der US-Botschaft in Beirut“, ruft der charismatische Hisbollah-Chef in der aufgezeichneten Rede ins Mikrofon. Er sieht nur zwei Lösungen für die Krise: entweder werde eine Regierung der nationalen Einheit gebildet, in der Hisbollah und ihre Verbündeten stärker vertreten sind, oder es werden Neuwahlen ausgerufen. „Die Regierung sagt, dass sie die Mehrheit hat. Dann lasst sie das durch Neuwahlen beweisen“, sagt er trotzig und droht, seine Anhänger auf der Straße zu mobilisieren, wenn seine Forderungen nicht erfüllt werden. „Aber“, fügt er hinzu, „wir werden diesen Schritt zunächst mit unseren Verbündeten besprechen.“

Die Regierung hat bislang nicht auf Nasrallahs Drohungen reagiert. „Die Hisbollah ruft zum Aufstand auf, um das Land unter Kontrolle zu bringen, sie wollen einen Staatsstreich“, erklärte Drusenführer Walid Dschumblatt, der die Regierung unterstützt. „Wir werden alle Optionen prüfen, um uns dem entgegenzustellen.“ Saad Hariri, Sohn des ermordeten ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Hariri, der die Mehrheitsfraktion im Parlament anführt, erklärte nach der Rede Nasrallahs, die Siniora-Regierung werde im Amt bleiben, weil sie von der „Zedernrevolution“ unterstützt werde.

Auch Hisbollahs Verbündeter, der christliche Oppositionsführer Michel Aoun, ruft die Regierung zum Rücktritt auf. Das sei der einzige Ausweg aus der Krise. „Wir werden die notwendigen Maßnahmen ergreifen und Siniora wird für alle negative Auswirkungen Verantwortung tragen“, erklärte Aoun in einer Rede vor Studenten.

Mit den „negativen Auswirkungen“ spielt er auf die Angst vieler Libanesen an, dass die Politik der Straße erneut in einen Bürgerkrieg münden könnte, wie ihn das Land schon einmal sechzehn Jahre lang erlebt hat. Nasrallah selbst versucht diese Angst zu dämpfen: „Unsere Demonstrationen werden friedlich und zivilisiert sein und die Stabilität des Libanon nicht gefährden. Wir werden eine Konfrontation der konfessionellen Gruppen vermeiden.“

KARIM EL-GAWHARY