„Das Leben geht weiter bis zum Tod“

In einem Interview denkt Jacques Chirac darüber nach, wie die Jahre nach seiner Präsidentschaft sein werden

„Ich habe die Frauen nie verachtet, aber ich habe dabei nicht übertrieben“

PARIS taz ■ Das Ehepaar Chirac wird in wenigen Monaten das Pariser Präsidentenpalais Élysée räumen und sich auf das Schloss Bity in der ländlichen Corrèze zurückziehen. In einem am Sonntagabend ausgestrahlten Fernsehinterview trauert Bernadette Chirac bereits dem Leben im Élysée nach, das ihr „fehlen“ werde: „Aber ich werde mich anpassen.“ Auch ihr Gatte denkt an die Zeit danach: „Das Leben geht zweifellos weiter nach der Politik, bis zum Tod.“

Und was wird Chirac machen, wenn er nicht mehr Präsident ist? „Eines Tages werde ich versuchen, Frankreich, den Franzosen und Französinnen auf andere Weise zu dienen.“ Chirac weiß, dass seine Bilanz von seinen Landsleuten sehr kritisch betrachtet wird. Rückblickend meint er darum rechtfertigend: „Man kann meine Mission loben oder kritisieren, wie auch immer, aber ich habe stets versucht, im Interesse der Franzosen zu handeln und zugunsten der Vorstellung, die ich von Frankreich habe.“

Tatsächlich hat der Präsident bisher nicht klipp und klar gesagt, was er vorhat. Ob er in den politischen Ruhestand tritt oder ob er noch einmal kandidieren will. Expremier Raymond Barre ist einer der wenigen, der noch an die zweite Möglichkeit glaubt: „Chirac ist nicht ein Mann, der so schnell die Macht abgibt.“

Die Anzeichen mehren sich jedoch, dass Chirac sich damit abgefunden hat, dass die Franzosen ihn keineswegs für unentbehrlich halten. Lange hoffte er auf einen Stimmungsumschwung – doch nun muss er akzeptieren, dass Nicolas Sarkozy und seine Partei in den Wahlkampf führen wird. Er sei jedenfalls nicht nachtragend: „Es lässt mich kalt, ob Sarkozy oder ein anderer …“, vertraute Chirac dem Journalisten Pierre Péan an, der die Gespräche mit dem Staatschef als Vorabmemoiren unter dem Titel „Ein Unbekannter im Élysée“ publizieren wird. Darin gesteht dieser eine gewisse Bewunderung für seinen Vorgänger Mitterrand, gibt aber auch Geheimnisse aus dem Privatleben preis. Zu seinem Ruf als „Schürzenjäger“ sagt Chirac: „Ich habe die Frauen nie verachtet, aber ich habe dabei nicht übertrieben“, wie dies Gattin Bernadette einmal seufzend meinte, als sie sagte, bei ihrem Mann „gingen die Frauen ein und aus“.

RUDOLF BALMER