Nur Merz trauert Merz nach

In der nordrhein-westfälischen CDU wird der Abgang von Friedrich Merz abgehakt. Sozialminister Karl-Josef Laumann: Wirtschaftsflügel wird nicht nur von einer Person repräsentiert

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Die Familie Merz scheint mit der CDU abgeschlossen zu haben. Wenige Tage nach der Rückzugsankündigung von Friedrich Merz rechnet nun der Vater des Bundestagsabgeordneten mit der Union ab. Der 83-jährige Joachim Merz sei nach 51 Jahren aus der sauerländischen CDU ausgetreten, berichtete gestern die Bild-Zeitung. „Der Schritt ist mir außerordentlich schwer gefallen, aber ich musste einfach feststellen, dass dies nicht mehr meine Partei ist“, wurde Vater Merz zitiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe „allenfalls qualifizierte Mittelmäßigkeit“ um sich versammelt. Die gerade verabschiedete Gesundheitsreform halte er für Sozialismus.

Offiziell ist der Merz-Abgang für die CDU weiterhin keine große Sache. „Es gibt weder eine signifikante Ausstiegswelle noch eine Flut von Beschwerden“, sagt Parteisprecher Matthias Heidmeier. Politiker aus Merz‘ nordrhein-westfälischen Landesverband wollten sich gestern nicht mehr zu dem Thema äußern: „Es gibt genug Unruhe in der Partei“, sagt ein CDU-Präsidiumsmitglied aus NRW. „In diesem Konzert braucht es keine weitere Stimme“, so der Bundespolitiker aus dem Ruhrgebiet.

Zu diesem Konzert gehörte gestern auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Der Parteimanager vom Niederrhein wies nach einer Präsidiumssitzung die Kritik aus konservativen Parteikreisen zurück, traditionelle Werte der Union fänden zu wenig Beachtung – und reagierte damit auch auf Merz. Der Parteirebell hatte am Wochenende gegen seine Partei nachgelegt. „Es gibt zweifellos ein wachsendes politisch heimatloses Bürgertum. Die CDU sollte das im Auge haben und sich darum kümmern“, sagte Merz einer Sonntagszeitung. Erbost dementierte er Gerüchte über eine angebliche Parteineugründung. „Ich habe ganz gewiss nicht die Absicht, einen Oskar Lafontaine auf der anderen Seite zu spielen. Die Gerüchte über eine Parteigründung durch mich sind völliger Blödsinn und gehören nicht einmal in den Karneval.“ Der Spiegel berichtete indes über konkrete Planspiele des Finanzexperten, der sich eine „WASG von rechts“ vorstellen könne. Die NRW-CDU hält das für Unsinn. „Wir sind und bleiben die Heimat für politisch Wertkonservative“, sagt Parteisprecher Heidmeier.

Unterstützung dafür kommt ausgerechnet vom linken Parteiflügel. Nordrhein-Westfalens Sozialminister Karl-Josef Laumann sagte, ein Parteiflügel werde nicht durch eine Person allein repräsentiert. Tatsächlich darf sich der Chef des christdemokratischen Arbeitnehmerflügels CDA als Gewinner fühlen: Lange schon waren die über Jahre abgemeldeten CDU-Gewerkschafter parteiintern nicht mehr so einflussreich.

Hartmut Schauerte, Chef der NRW-Landeschef der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT), sieht jedoch keine Machtverschiebung innerhalb der Partei. „Man sollte die Flügeldebatte nicht überhöhen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium der taz. Der Rückzug von Merz sei bedauerlich. Allerdings habe sich der Sauerländer schon länger bei konkreten Reformdebatten zurückgehalten. Die Gründe für den Rückzug seien eher persönlicher Natur als Ausdruck einer Frustration der Wirtschaftspolitiker.

Der Union freundlich gesonnene Wirtschaftsvertreter wollen dem Abgang ebenfalls keine übergroße Bedeutung beimessen. Zwar werde es der Union sicher schwer fallen, die von Merz hinterlassene Lücke zu schließen, sagt der Chef des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven. Vor allem mit seinem einfachen Steuermodell habe Merz „Hoffnungen geweckt, die die große Koalition bisher nicht erfüllt“ habe. Dennoch gehe er davon aus, dass die CDU ihre Flügel im Gleichgewicht halten werde, so Ohoven zur taz. Für den Unternehmerflügel könne auch NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers als „kompetenter Wirtschaftsfachmann“ sprechen. Ohoven: Dessen Image als „Arbeiterführer“ gehe ohnehin nur auf eine „Etikettierung“ durch die Medien zurück.