Strategien gegen den Ausbau
: „Bei einem Konsens hätte niemand demonstriert“

taz: Sie trainieren gewaltfreies Handeln – wie vermeidet man Gewalt, wenn Polizisten eine Baumfällung durchsetzen?

Ulrike Laubenthal: Es geht nicht nur darum, Gewalt zu vermeiden, sondern um ein anderes Prinzip, bei dem ich dem jeweiligen Gegenüber deutlich mache, welche Werte ich vertrete.

Der Polizist soll mein Interesse an dem Baum verstehen?

Der Polizist ist ein Teil des Konflikts, aber es gehören ja noch viel mehr Menschen dazu. Letztendlich geht es doch um die Frage, wie Stadtplanung so gemacht werden kann, dass sich alle in der Stadt wohl fühlen.

Das Bauamt argumentiert, es setze einen politischen Kompromiss um, der die Anwohner-Interessen berücksichtigt.

Wenn das so wäre, hätte niemand demonstriert. Es gibt einen Unterschied zwischen Kompromiss und Konsens. Der Kompromiss ist zwischen zwei politischen Parteien geschlossen worden. Bei einer Konsensentscheidung hätten auch diejenigen mitgeredet, die es betrifft.

Wie kann man für einen seit 20 Jahren umstrittenen Straßenausbau noch öffentliches Interesse erwecken?

Die Bäume zu besetzen ist natürlich ein kraftvolles Symbol, aber an dieser Protestform können nur wenige teilnehmen. Denkbar ist, mit vielen auf der Straße zu parken oder die Verleiher von Hebebühnen davon zu überzeugen, dass sie ihre Geräte nicht zur Verfügung stellen.

In drei Monaten sind Wahlen, eine andere Koalition könnte auf den Ausbau verzichten…

Ein begrenzter Zeitraum ist eine sehr gute Voraussetzung, um viele Menschen für eine Kampagne zu gewinnen, zunächst für den Erhalt der Bäume und danach für eine andere Stadtplanung.

Und wie kommt man an den Polizisten vorbei zum Baum?

Indem man eine Polizeikette nicht durchbricht, sondern sie durchfließt, also nicht gegen anrennt, sondern sich mit vielen Leuten langsam nähert. Allerdings kann man nicht ausschließen, dass einem dabei selbst weh getan wird. Interview: E. Bruhn

Mehr Informationen: www.gewaltfreiheitstrainings.de