Ein Kubus für die Toleranz

Der Gegenstand ist unspektakulär, die Aufregung seit Jahren groß: Immer wieder haben sich – bei der Venezianer Biennale 2005 sowie 2006 in Berlin – Stadtverwaltungen und Museumsdirektoren geweigert, Gregor Schneiders „Cube“ auszustellen. Mit der Angst vor Attentaten haben die Veranstalter das begründet. Von vorauseilendem Gehorsam sprachen andere, zu denen auch Vertreter der islamischen Gemeinden zählten.

Und doch ist es mehr als ein beliebiger schwarzer Kubus, den Schneider auf das Hochplateau zwischen Galerie der Gegenwart und Altbau der Hamburger Kunsthalle stellen will. Zudem ist das Kunstwerk erstmals in eine Ausstellung eingebunden: Als Teil der Schau „Das schwarze Quadrat. Hommage an Malewitsch“ soll der Kubus installiert werden. Das nimmt ihm jede politische Dimension, sagt die „l’art pour l’art“-Fraktion. Denn Kasimir Malewitsch hatte sein „Schwarzes Quadrat“ als Endpunkt der gegenständlichen Malerei begriffen: Die reine Form, bar jeder Farbe, repräsentierte das Quadrat, das die Malerei revolutionierte, eigentlich aber eine abstrahierte russische Ikone war. Später wurde das Bild selbst Ikone des um 1915 entstandenen „Suprematismus“, der die Reduktion der Malerei auf geometrische Formen zum Ideal erhob.

Eine reine geometrische Form ist auch Gregor Schneiders Kubus, der die Originalgröße der Kaaba haben wird und diese Assoziation zulässt, aber keine Kopie sein soll. „Ich will die Menschen mit dieser archaischen Form und ihrer Ausstrahlung konfrontieren“, sagt Schneider über seine Skulptur, die aus einem Metallgerüst bestehen wird, das schimmernder Samt überzieht. Anders als die echte Kaaba, zu der jeder Muslim einmal im Leben pilgern sollte, wird Schneider also kein festes Gebäude schaffen und schon gar nicht den Brokatbehang oder den heiligen Stein der Kaaba kopieren. Schneider will vielmehr experimentieren. Ihn reizen nie gesehene Räume. Ihn reizt der Kontrast von Positiv und Negativ, von Raum und Leere.

Und ansonsten: schafft er manisch klaustrophobische Räume. Häuser, aus denen man nicht mehr herausfindet – wie jenes „tote Haus Ur“, das er in seiner Heimatstadt Rheydt baute und das er in Teilen auf die Venezianer Biennale von 2001 transportierte. Den Goldenen Löwen bekam er dafür.

Außerdem erhielt er weitere Aufträge – etwa jene 2003 gezeigte Installation für die Hamburger Kunsthalle, die aus einer nach innen gebauten, quasi umgestülpten Straße des angrenzenden Stadtteils bestand. Die Umkehrung, die Ein- und Ausstülpung, auch die Verdoppelung von Räumen faszinieren Gregor Schneider, der sich bislang allerdings auf Innenräume beschränkte.

Mit dem Kubus, der sich scharf vom angrenzenden weißen Ungers’schen Kubus der Galerie der Gegenwart abgrenzen wird, betritt er explizit den Außenraum und schafft damit sein eigenes Mekka. Ein Mekka für an Kunst einerseits und am Islam andererseits Interessierte. Käme das so, würde der „Cube Hamburg 2007“ exakt zu dem, was Kunsthallen-Chef Hubertus Gaßner hofft: zu einem Mahnmal der Toleranz, das Begegnung und Diskussion entfacht, die sich Venedig und Berlin ohne Not verboten haben. PS

Die Ausstellung „Das schwarze Quadrat. Hommage an Malewitsch“ wird vom 23. 3. bis 10. 6. 2007 in der Hamburger Kunsthalle zu sehen sein.