DER MANN, DER AUF DER FÄHRE TEE KOCHT, ARBEITET VIELLEICHT DOCH NICHT BEI DER BOTSCHAFT VON DUBAI
: Falsche Währung

Foto: privat

REBECCA CLARE SANGER

Der Triumph und die Freude darüber, sich trotz des Anhängers zu nur 87 Euro PKW-Tarif auf die Fähre geschlichen zu haben, haben keine Zeit sich im Bewusstsein auszubreiten. Denn wir suchen einen Ort, wo unsere Familie es auf dem Fußboden kann.

Wir waren weniger heimtückisch als abgelenkt, vergaßen Koffer, ließen Handys fallen, traten auf deren Auflader und sicherten uns die billige Überfahrt: „Was will diese Fahrkartenmaschine? Länge unseres Autos, sind wir unter sechs Meter lang?“ Das kurze „Ja“ kann ich trotz des lauten Geschreis auf dem Rücksitz hören, ich drücke die entsprechenden Knöpfe und wundere mich später über die fehlende Überwachungskamera bei der Fährlinie Scandlines, die uns das hat durchgehen lassen.

Ich finde mich zurecht. Es ist nicht die erste Fähre mit dem Pommesgeruch, auch nicht die zweite Fähre, in Blau gehalten, es ist die dritte Fähre mit dem Plüschsofa einmal rund um die Wand des Loungedecks, dessen Café ich nur einmal offen erlebt habe.

Hier sehe eine freie Fläche für unsere Kinder und ein wenig später einen Steward, der einem dicken Mann eine Steckdose zeigt. „Ach, dann öffnen sie das Café hier oben vielleicht doch“, denke ich, denn der dicke Mann sieht nicht nur orientalisch aus, sondern auch so, als ob er sehr gut eine Self-Service-Kantine am Laufen halten kann.

Erdbeeren landen auf dem Fußboden, Bananenstücke werden auf ihm zwischengelagert. Wer soll den Kaffee holen? Wir haben keine Thermoskanne dabei, um uns den letzten Rest von Bohème zu bewahren. Da setzt sich der dicke Mann mit seinem Freund drei Tische weiter auf das Sofa und steckt seinen Wasserkocher in die Steckdose. Sein Freund steht auf und kommt mit zwei Teegläsern wieder, plötzlich ist der Tee im Glas, der Zucker reiste in derselben kleinen Handtasche, aus dem der Wasserkocher gekommen war und steht in einem riesengroßen Glas auf dem Tisch.

„In Dänemark nehmen die doch auch Euros?“ fragt der Mann, den ich versehentlich für Servicepersonal gehalten hatte, mit einem Teeglas in der Hand. Und weil ich auf ein Glas Tee hoffe, antworte ich: „Nee, das tun sie nicht.“ Und fühle mich erfahren, weil ich ihm abrate, das Geld auf der Fähre zu wechseln, er solle es lieber einfach am Geldautomaten ziehen.

Es stellt sich als ausgesprochen einfach heraus, den beiden zu imponieren. Denn sie haben nicht die geringste Ahnung, was sie auf dem Weg erwartet, auf dem sie sich gerade befinden. „Nee, superteuer die Hotels“, sage ich dem Dicken, der wie sein Freund aus Dubai stammt, aber in München geboren sein will. Ich spreche langsam und schreie ein bisschen, weil sein Deutsch so schlecht ist, und drücke ordentlich auf die Tube. „Mindestens 80 Euro pro Nase“, sag’ ich, „superteuer, Kopenhagen!“, und die beiden erzählen mir, dass man in Dubai für 30 Euro in fünf Sternen übernachten kann.

In der Zwischenzeit ist mir ein Tee angeboten worden und John, meinem Mann, auch, denn das schickt sich so.

„Und wenn wir direkt nach Malmø durchfahren? Wie lange fährt man da, ’ne Stunde?“, fragt der Mann. „Nee, mindestens drei“, rate ich und schlage ihm Helsingør vor, da soll es auch schön sein, „ist es da nicht auch schön?“, frage ich John.

Auf seinem Handy zeigen wir ihm Helsingborg und Helsingør, fragen ihn, ob er auch Kinder hat, die hat er nicht, er arbeite bei der dubaiischen Botschaft in München, erzählt er und sein Freund und er hätten gestern für dreißig Euro in Hamburg übernachtet. Er trägt Jeans und ein Bayern-Shirt, sein Freund trägt beiges Polyester. Dubai habe ich mir anders vorgestellt, die Durchsage ruft uns zu unseren Autos.

Auf dem Cardeck sehe ich den angeblichen Münchner Botschaftsmitarbeiter in ein Auto mit Hamburger Kennzeichen steigen, sein Freund sitzt mit ’ner Stulle in der Hand auf dem Beifahrersitz. Sie fahren vor uns von der Fähre auf die Autobahn, doch doch, das war ein Hamburger Kennzeichen. Ich vermute Lügen und unterstelle wilde Geschichten.

Doch der Tee, der war echt.

Rebecca Clare Sanger pendelt mit Mann und Kindern zwischen Hamburg und der dänischen Insel Møn; von ihr erschien bei Michason & May „Hamburg Walking“, ein Sammelband mit Hamburger Szenen aus der taz