Wie Holland in Brasilien

UNION Heute beginnt die Saison in der zweiten Fußball-Bundesliga. Die Eisernen aus Köpenick steigen am Sonntag ein – und peilen mit neuem Trainer den Aufstieg an

Kurzpassspiel auf engem Raum, blitzartige Angriffe: die mannschaftliche Organisation funktionierte in der Vorbereitung extrem gut

VON JENS UTHOFF

Wenn Trainer neue Teams übernehmen, lassen sie sich oft besondere Methoden einfallen, um den Laden ein wenig umzukrempeln. Jürgen Klinsmann versuchte es mit Zen-Karma und Buddha-Statuen beim FC Bayern, Felix Magath lässt wohl als Erstes immer die Landschaftsgärtner anreisen, um Trimm-dich-Hügel zu errichten, und Christoph Daum streut wahrscheinlich ein paar Glasscherben aus, über die die Kicker dann barfuß wandeln sollen.

Norbert Düwel hat all dies nicht nötig. Norbert Düwel ist der neue Coach von Union Berlin. Unter ihm wird in Köpenick gerade vieles anders, als es zuvor war – allerdings kommt er dabei bislang eher wie ein strategischer Analyst daher. Der 46-Jährige nahm seit seinem vorzeitigen Amtsantritt Ende Mai nach und nach Kurskorrekturen vor: Er setzt vor allem auf jüngere Spieler, gibt eigentlich schon geschassten Kickern (Stürmer Adam Nemec und Mittelfeldspieler Baris Özbek) eine neue Chance, er lässt ein anderes System spielen als sein Vorgänger Uwe Neuhaus.

Verantwortung verteilen

Und: Statt auf die Union-Institution Torsten Mattuschka vertraut Düwel auf seinen neuen Kapitän Damir Kreilach, den kreativen Gestalter im Mittelfeld. „Union hat sich für einen Neustart entschieden, dazu gehört für mich auch, Prozesse innerhalb der Mannschaft zu verändern und Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen“, sagt Düwel zu dieser Entscheidung.

Jetzt muss sich zeigen, ob die Maßnahmen wirken. Es wird ernst für Düwel, und es wird ernst für sein Team: Am heutigen Freitag startet die Zweitligasaison, die Eisernen treten am Sonntag (15.30 Uhr) auswärts beim Karlsruher SC an. Wie schon in den vergangenen Spielzeiten gehört Union nicht zum unmittelbaren, aber zum erweiterten Favoritenkreis im Kampf um die beiden Aufstiegsplätze und den Relegationsrang.

Mit den beiden Bundesliga-Absteigern 1. FC Nürnberg, Eintracht Braunschweig, auch mit Fortuna Düsseldorf, 1860 München, Kaiserslautern und St. Pauli stehen bereits etliche Traditionsklubs ungeduldig in der Erste-Liga-Warteschlange. Und mit dem zum ersten Mal in Liga zwei antretenden „RasenBallsport“ Leipzig ist ein weiterer Klub im Rennen, dem der Durchmarsch in die Bundesliga zuzutrauen ist.

Bei Union hat sich vom Personal her gar nicht so viel getan: Fünf Abgänge stehen bislang vier Neuverpflichtungen gegenüber. Von den Weggängen war nur Stürmer Simon Terrode zuletzt regelmäßig in der ersten Elf. Neuzugang Christopher Trimmel (kam von Rapid Wien) ist direkt mal stellvertretender Kapitän geworden – und Terrode-Ersatz Bajram Nebihi (kam aus Augsburg) hinterließ zuletzt einen sehr guten Eindruck, als er die Führung beim Testspiel-Sieg gegen den FC Sevilla erzielte.

Beim 2:1-Sieg gegen den spanischen Europa-League-Gewinner am vergangenen Sonntag zeigte Union schon phasenweise, was man in dieser Saison von dem Team erwarten darf. Taktisch war zu sehen: Weniger Ballbesitz – Union ließ den Gegner oft erst kommen, ehe schnelle Tempo-Gegenstöße folgten. Düwels Team spielte ein flexibles System, ein 3-5-2, das in der Rückwärtsbewegung zum 5-4-1 wurde – ein bisschen wie Holland bei der WM in Brasilien. Die Mischung aus Kurzpassspiel auf engem Raum und blitzartigen Angriffen konnte den Anhängern schon Lust auf die neue Saison machen. Die mannschaftliche Organisation funktionierte dabei extrem gut.

Sowieso verliefen die acht Vorbereitungsspiele gut – Union verlor kein einziges. Aber Düwel, der als Scout bei Manchester United und als Co-Trainer von Mirko Slomka bei Hannover arbeitete und bei Union seine erste Station als Cheftrainer besetzt, weiß auch: „Vorbereitung ist Vorbereitung. Sie zählt nicht. Wir müssen uns auf und außerhalb des Feldes weiterentwickeln.“

Genau dafür hat Union den beim Publikum weitgehend unbekannten Düwel geholt: neue Reize setzen nach sieben Jahren mit Uwe Neuhaus. Bei seiner Vorstellung sagte der neue Coach, er strebe nach dem Maximum, der Aufstieg sei nicht verboten.

Das könnten auf jeden Fall jene begabten Spieler, die unter Düwels Vorgänger Uwe Neuhaus nicht so durchstarteten, wie man es hätte erwarten können. Baris Özbek ist der wohl extravaganteste und technisch begabteste Spieler – ein kleiner Özil aus Köpenick, der in engen Spielen den Unterschied ausmachen kann. Auch wie sich Eroll Zejnullahu, ein Berliner Jung, der bei Union in der A-Jugend und Regionalliga spielte, in Liga zwei entwickeln wird, dürfte spannend werden. Einen etwas experimentierfreudigeren Trainer, der früh auf Talente setzt, hat der 19-Jährige schon mal.

Die Fans fiebern dem Neuanfang bereits entgegen – zum ersten offiziellen Training kamen schon 1.200 Besucher, zum Testspiel gegen Sevilla war das Stadion mit knapp 10.000 Besuchern bereits gut gefüllt. In genau einer Woche, beim Heimauftakt gegen Düsseldorf, wird die Alte Försterei dann wohl ausverkauft sein.