Abschiebepraxis mit neuer Qualität

JAHRESBILANZ Niedersachsen hat 2010 über 500 Menschen abgeschoben. Vor allem die vielen Rückführungen ins Kosovo und nach Syrien kritisieren Flüchtlingsrat und Linkspartei

2010 wurden insgesamt 31 Menschen weniger als im Jahr 2009 abgeschoben

532 Abschiebungen aus Niedersachsen hat es im Jahr 2010 gegeben. Das häufigste Zielland war mit rund 62 Abschiebungen das Kosovo, teilte der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) am Mittwoch auf Anfrage der Linksfraktion mit. Darauf folgt die Türkei mit 50 Abschiebungen. 2010 wurden damit insgesamt 31 Menschen weniger als im Jahr 2009 abgeschoben.

Zu den Zielländern zählen auch Tunesien, Syrien, Nigeria, Marokko, Liberia, Kongo, Iran, Irak, Weißrussland, Algerien oder Afghanistan. Als „ungeheuerlich“ bezeichnet das die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Pia Zimmermann. „Schwere und schwerste Menschenrechtsverletzungen“ habe es in diesen Ländern in den vergangenen Jahren gegeben.

Der niedersächsische Flüchtlingsrat kritisiert besonders die hohen Zahlen an Abschiebungen ins Kosovo und nach Syrien. Flüchtlingsorganisationen warnen schon seit Monaten davor, vor allem Roma in das Kosovo abzuschieben. Ihnen drohten dort Elend und Übergriffe. Einige Bundesländer wie etwa Nordrhein-Westfalen haben im vergangenen Jahr deshalb die Abschiebungen ins Kosovo ausgesetzt – nicht so das Land Niedersachsen.

Eine „neue Qualität der Abschiebepraxis“ rügt Kai Weber vom Flüchtlingsrat zudem bei Syrien. Zehn Abschiebungen dorthin hat es 2010 gegeben, in den ersten beiden Monaten diesen Jahres waren es bereits fünf. Haft und Misshandlungen drohen Abgeschobenen in Syrien, warnt Weber. Von willkürlichen Verhaftungen, Folter und Isolationshaft handelt auch der Bericht des Auswärtigen Amtes zur Lage in Syrien. Kurden würden stark beschränkt, Autonomiebestrebungen mit Härte verfolgt, heißt es darin.

Beim niedersächsischen Innenministerium verweist man indes an den Bund: Zielländer für Abschiebungen zu bewerten, sei nicht Aufgabe eines einzelnen Bundeslandes, heißt es dort. TERESA HAVLICEK