WINTERGÄSTE
: Der Schick der Enten

Ein wenig schüchtern sind die Umgangsformen der Reiherenten

Als ich über die Kottbusser Brücke laufe, sehe ich sie noch mal. Irgendwelche Seppel werfen wieder ganze Toastbrotpackungen ins Wasser, es ist der übliche Riesenauflauf: säckeweise Enten und Schwäne, dazwischen hampeln ein paar Blesshühner und Möwen herum. Nur die Reiherenten halten sich wie immer vornehm am Rand.

Reiherenten sind Wintergäste in Berlin. Zugvögel möglicherweise. Wer sie nicht kennt: Sie sind so etwas wie die Apple-Hipster unter den Wasservögeln. Ihr Körperbau ist kompakt und im Entenvergleich eher klein, auch liegen sie besonders tief im Wasser. Mit einer schlichten schwarz-weißen Farbgebung setzen sich die Reiherentenerpel angenehm von den geckenhaft bunten Stockenten ab und erinnern dank der seitlich angebrachten Applikationen insgesamt an Vintage-Skateschuhe.

Bei den Weibchen changiert das Braun im Vergleich zur Stockente eher vornehm ins Dunkle. Nur die Frisur der Männchen, eine Art Irokesen-Vokuhila, ist fragwürdig. Aber so trägt man das halt bei Entens, vermutlich tanzen sie in ihrer Freizeit gern Tecktonik. Und außerdem muss jede Abwechslung zur „Einmal alles kurz“-Unfrisur der Berliner Vogelwelt begrüßt werden.

Recht distinguiert, vielleicht aber auch ein wenig schüchtern sind die Umgangsformen der Reiherenten: Allgemein schnattern sie nicht viel. An den kriegsähnlichen und für alle Beteiligten eher unwürdigen Fütterungen beteiligen sie sich, wie gesagt, nicht. Und ohnehin besteht ihre Nahrung größtenteils aus Muscheln und Schnecken, also Dingen, die man bevorzugt in französischen Restaurants erhält. Da sie Tauchenten sind, verzichten sie auch auf das albern aussehende Gründeln.

Jetzt kommt der Frühling, und für Berliner Vogelfreunde beginnen die letzten Tage, an denen sie noch Reiherenten sehen können. Nutzen Sie diese Chance!

MICHAEL BRAKE