Europas Müllöfen bleiben Müllöfen

Nach dem Willen der EU-Kommission sollte die Verbrennung von Abfall künftig als Recycling gelten. Doch das Europaparlament stoppte gestern die Richtlinie. Stattdessen soll in Zukunft die Hälfte des anfallenden Hausmülls wiederverwendet werden

VON ANNETTE JENSEN

Die Hersteller von Müllverbrennungsanlagen dürften gestern lange Gesichter gemacht haben: Das Europaparlament hat ihre Geschäftsaussichten deutlich eingetrübt. Denn die Abgeordneten erteilten dem Vorschlag, Abfallöfen als Recyclinganlagen zu definieren, eine klare Absage. Damit kippte das Parlament einen wichtigen Teil der Richtlinie, die die EU-Kommission im Dezember 2005 vorgelegt hatte.

EU-Umweltkommissar Stavros Dimas wollte Anlagen, die nebenbei Strom oder nutzbare Wärme erzeugen, künftig als „Verwertungsanlagen“ definieren. Das hätte nicht nur jeden Druck auf die Hersteller untergraben, ihre Produkte möglichst recyclingfreundlich zu konstruieren. Auch der zu verfeuernde Müll wäre dann als „Wertstoff“ geadelt worden – mit weitreichenden Konsequenzen: Handelsbeschränkungen für Müll hätten nicht mehr gegolten.

Die Grünen-Abgeordnete Hiltrud Breyer gab sich gestern nach der Abstimmung daher sehr erleichtert: „Zum Glück bekommt Müllverbrennung nun doch kein grünes Mäntelchen.“ Dass die drei Jahrzehnte alte EU-Abfallgesetzgebung überarbeitet werden muss, ist allerdings unstrittig. Jahr für Jahr landen in Europa zwei Prozent mehr Abfälle in der Tonne. Durchschnittlich 500 Kilogramm schmeißt jeder Bürger weg. Der Müllberg auf den Deponien wächst bislang noch schneller als die Aufarbeitungsquoten.Vor gut einem Jahr hatte Umweltkommissar Stavros Dimas angekündigt, Europa zum Recyclingkontinent umbauen zu wollen. Allerdings enthielt sein Vorschlag wenig, was eine solche Entwicklung vorantreiben könnte. Konkrete Ziele fehlten, jedes Land sollte lediglich einen Abfallvermeidungsplan aufstellen.

Das Parlament hat nun immerhin ein paar Zahlen in die Richtlinie eingearbeitet. So soll im Jahr 2012 nicht mehr Müll produziert werden dürfen als 2008, und ab dem Jahr 2020 sollen die Mengen dann zunehmend schrumpfen. Die Hälfte des Hausmülls und 70 Prozent des Bauschutts müssen nach Vorstellung der Abgeordneten dann wiederverwendet werden.

Die Konservativen und insbesondere die Unionsabgeordneten aus Deutschland hatten vergeblich versucht, die Abfallvermeidungspläne ganz zu streichen. „So etwas ist Mumpitz – Bürokratie hoch drei“, sagte der CDU-Abgeordnete Karl-Heinz Florenz auf Anfrage der taz.

Auch wenn der jetzt vorliegende Richtlinienentwurf einige Verbesserungen enthält, so setzt er doch nach wie vor am falschen Ende an, kritisieren Umweltverbände. Denn wer Müll vermeiden will, muss klare Vorgaben an die Hersteller machen. Angesichts der wachsenden Rohstoffknappheit könnte sich das auch ökonomisch rechnen. Doch dazu enthält das Gesetz so gut wie keine Angaben.

Im Sommer werden sich nun die EU-Umweltminister mit dem Thema beschäftigen, Ende des Jahres ist dann erneut das Parlament am Zuge. Wenn alles nach Plan läuft, ist das Verfahren Ende 2008 abgeschlossen.