Achse des Bösen wird kürzer

Erstmals seit vielen Jahren akzeptiert Nordkorea einen konkreten Abrüstungsschritt für sein Atomwaffenprogramm

AUS PEKING GEORG BLUME

Peking durfte eine Sternstunde der chinesischen Diplomatie feiern. „Meine Kollegen werden sehr zufrieden sein. Es ist das erste Mal, dass China eine Abrüstungsvereinbarung, noch dazu mit Beteiligung der USA, gelingt“, kommentierte Jang Chengxu, früher Leiter des Instituts für Internationalen Studien in Peking, die gestrige Übereinkunft der so genannten Sechserrunde zur atomaren Abrüstung Nordkoreas. Der frühere chinesische Spitzendiplomat Jang warnte jedoch vor Euphorie: „Wer den Vereinbarungstext genau liest, erkennt in ihm mehr Wünsche als konkrete Schritte.“ Das Ziel der Verhandlungen in Peking, ein atomwaffenfreies Korea, sei immer noch in weiter Ferne, sagte Jang.

Die Übereinkunft der Sechserrunde, an der China, die USA, Japan, Russland sowie die beiden Koreas beteiligt sind, wurde nach einem 16-stündigen Pekinger Verhandlungsmarathon fertiggestellt. Zentraler Punkt ist der erste konkrete atomare Abrüstungsschritt Nordkoreas seit vielen Jahren: Binnen 60 Tagen muss das Regime in Pjöngjang seinen Plutoniumreaktor in Jongbjon abstellen und internationalen Inspektoren Zutritt zur Atomanlage gewähren. Dafür bekommt Nordkorea im Gegenzug 50.000 Tonnen Heizöl als Soforthilfe.

Wenn Pjöngjang sein Atomprogramm vollständig aufgibt und sämtliche Atombomben zerstört, fließen an das Regime von Kim Jong Il weitere Wirtschafts- und Energiehilfen. Den Wert von 950.000 Tonnen Heizöl teilen sich die USA, China, Südkorea, Japan und Russland.

Kritiker wie der frühere UN-Botschafter und Abrüstungsbeauftragte der USA, John Bolton, sehen in der Einigung ein falsches Signal an die Möchtegern-Atommächte der Welt. „Das Abkommen lässt die USA sehr schwach aussehen zu einer Zeit, in der sie im Irak eigentlich stark dastehen müssten“, so der führende Neokonservative Bolton.

Sein Ärger kommt nicht von ungefähr. Tatsächlich mussten sich die USA in Peking kompromissbereit zeigen. Lange hatte US-Chefunterhändler Christopher Hill Hilfeleistungen für Nordkorea nur als abschließende Belohnung nach erfolgten Abrüstungsschritten angeboten, um dem Eindruck vorzubeugen, Nordkorea werde für seine Atomdrohung vorzeitig belohnt. Nun ist Washington doch bereit, Hilfe zu leisten, noch bevor Kim sein Atomarsenal vollständig preisgegeben hat.

Für Hardliner wie Bolton hat Präsident George Bush damit „gegen fundamentale Prinzipien seiner Politik“ verstoßen. In den Hauptstädten Asiens dürfte man über den Pragmatismus der USA jedoch froh sein. Auch den lästigen Finanzstreit mit Nordkorea wegen der Geldwäsche in einer Bank Macaos wollen Washington und Pjöngjang nun beilegen.

Innerhalb von 30 Tagen werden fünf Arbeitsgruppen eingerichtet, die jede weitere Maßnahme vorbereiten. Die USA versprechen, ein Verfahren einzuleiten, mit dem Nordkorea von der US-Liste der den Terrorismus unterstützenden Staaten gestrichen werden soll. Washington ist außerdem bereit, mit Nordkorea bilaterale Gespräche über eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zu führen.

Doch noch ist außer dem ersten Schritt für 50.000 Tonnen Öl nichts fest vereinbart. Die nächste Runde der Sechsparteiengespräche beginnt am 19. März. Die große Frage bleibt, ob Nordkorea wirklich mitspielt, oder, wie schon häufig seit Beginn der Sechsergespräche im Jahr 2003 geschehen, die Verhandlungen zwischenzeitlich wieder lahmlegt. Chinas Exdiplomat Jang will nicht ausschließen, dass der erste einstimmige Sanktionsbeschluss im Weltsicherheitsrat gegen Nordkorea vom Sommer vergangenen Jahres das Regime in Pjöngjang beeindruckt hat. „Aber was ist die Atombombe für Nordkorea? Eine echte Waffe oder einfach ein Nichts? Das weiß man nicht“, sagt Jang mit Blick auf die noch unüberschaubare Lage in Kim Jong Ils abgeschottetem Reich. Ebenso skeptisch beurteilt Jang die Motivation der USA. „Sie sind beschäftigt mit dem Irak und dem Iran und wollen keine weitere Front eröffnen.“ Doch lässt sich mit solchem Opportunismus ein Frieden auf Dauer schaffen? Die Frage lässt Jang im Raum stehen.

Es kommt also darauf an, was weiter passiert. Das Abkommen sieht bilaterale Verhandlungen auch zwischen Nordkorea und Japan vor. Ebenso wie einen Friedensvertrag als Ersatz für das Waffenstillstandsabkommen nach dem Koreakrieg. „Wir haben einen guten Schritt vorwärts getan“, sagt US-Unterhändler Hill. Aber eben nur einen.