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LESERINNENBRIEFE

Teure Luftnummer

■ betr.: „ZLB-Chef hat neuen Standort im Blick“, taz vom 23. 7. 14

Nachdem das Wowereit-Prestige-Objekt ZLB auf dem Tempelhofer Feld grandios gescheitert ist (wie viel hat die PR dafür eigentlich gekostet?), entscheidet wieder allein der Vorstand der Stiftung? Nichts dazugelernt? Wie wäre es, NutzerInnen der ZLB, Kulturschaffende, MitarbeiterInnen vor Ort in einen solchen Entscheidungsprozess mit einzubeziehen? Volker Heller spricht davon, dass eine Bibliothek der „demokratische Garant für die Zugänglichkeit für alle Nutzer“ sei. Warum werden die nicht demokratisch in die Entscheidungsprozesse mit eingebunden?

Herr Heller spricht davon, dass eine Bibliothek wirtschaftlich sein muss. Wird die Kultur nun endgültig dem Diktat der Ökonomie unterworfen? Und widerspricht es der Wirtschaftlichkeit, wenn die Bibliothek Zugänglichkeit und Information zu den Medien „für alle Nutzer, besonders für jene, die sich das sonst nicht leisten können“ bieten soll? Das scheint mir die Quadratur des Kreises, oder mit den Worten von Herrn Heller: die Umwandlung einer Trompete in eine Geige.

Apropos Trompete: Bitte, Herr Heller, ersparen Sie mir Ihre Phrasen wie „alle denkbaren Medienarbeitsplätze sowie Mega-Space und Raum für die Stadtgesellschaft“. Wer nach allen Seiten hin offen ist, wird nie ein Konzept für die Gedenkbibliothek, die Berliner Stadtbibliothek, das Humboldtforum unter einen Hut bekommen. Das wird doch wieder genau so eine teure Luftnummer wie der BER und die ZLB auf dem Tempelhofer Feld. STEFAN KLATT, Berlin-Schöneberg

Frage an den Philologen

■ betr.: „Berliner Szenen. Die Missgeburt“, taz vom 28. 7. 14

Der Autor des Beitrags fährt Auto. Beim Rechtsabbiegen lässt er noch eine Fußgängerin passieren, wird dafür aus einem schwarzen Mercedes heraus auf das Übelste angemacht und dann noch bedroht. So weit, so normal im Berliner Straßenverkehr. Was an diesem Artikel auffällt, ist der Hinweis auf die ausländische Herkunft von Bedroherin und Anmacher: „… keift eine junge Frau mit dunklen Haaren“. Und: „… brüllt er mit türkischem Akzent.“ Ich frage mich, was anders gewesen wäre, wären die dunklen Haare und der türkische Akzent unerwähnt geblieben. Die Überschrift „Die Missgeburt“ ist ein Zitat, natürlich. Oder? Im Text ruft die Dunkelhaarige: „Du Missgeburt!“ Frage an die Philologen: Macht das einen Unterschied?

Geschichten wollen uns die Welt erklären. Es wäre verdienstvoll gewesen, wenn dieser Bericht uns gesagt hätte, dass es Menschen gibt, die um des eigenen Vorteils willen andere bedrohen und anmachen, und dass wir das nicht dulden dürfen. Aber mit diesen Seitenhieben gegen Menschen ausländischer Herkunft sagt er nur: Vorsicht vor Türken mit dunkelhaarigen Begleiterin in einem schwarzen Mercedes! DETLEF FOLJANTY, Berlin

Einfache Lösung

■ betr.: „Kommentar zu Ferienwohnungen: Die Ferienhaie zocken“, taz.de vom 31. 7. 14

Für das Problem, die Ferienwohnungen aufzuspüren, dürfte sich wohl eine Lösung finden, wenn alle mitmachen: Man könnte zum Beispiel einen Wiki einrichten, in den die Stadtverwaltung zunächst alle gemeldeten Ferienwohnungs-Häuser einträgt (auch mit Stadtplan-Darstellung). Und dann kann jede® Berliner/-in zusätzlich alle Ferienwohnungs-Häuser ergänzen, die er/sie in der Gegend kennt und die offenbar nicht registriert sind. Fertig. 0815, taz.de

Gegenöffentlichkeit

■ betr.: „1.911 verbrannte Autos seit 2009 Abgefackelt auch ohne Politik“, taz.de vom 30. 7. 14

Klasse, dass ihr das so aufarbeitet. Es ist versucht worden, dies Aktivist_Innen in die Schuhe zu schieben, dabei handelt es sich in den meisten Fällen um was ganz anderes. Das beobachten wir immer wieder. Zum Beispiel beim Skandalprozess um Josef oder Pfarrer König. Gut, dass es kritische Gegenöffentlichkeit gibt, die das nicht durchgehen lässt! SABBEL, taz.de

Intransparenz

■ betr.: „PR-Strategie: Medien tappen in Strafanzeigen-Falle“, taz.de vom 28. 7. 14

Sehr geehrter Herr Heiser,

ich gebe Ihnen absolut recht, dass das Instrument der Strafanzeige nicht zu PR-Zwecken missbraucht werden darf. Und ich gebe Ihnen auch Recht, dass nicht jede Pressemitteilung von Organisationen von den Medien immer gleich bereitwillig abgedruckt wird. Auch hier ist natürlich wünschenswert, dass die Journalisten das filtern, damit die Zeitungen nicht voll von irgendwelcher „Propaganda“ verschiedenster Verbände sind.

Für den Bund der Steuerzahler Berlin kann ich Ihnen aber versichern, dass wir hier sehr sorgsam und überlegt und auch nur im äußersten Fall zum Instrument der Strafanzeige greifen. Für meine Amtszeit seit 2008 sind das genau zwei Strafanzeigen: 2013 in Sachen Sport- und Erholungszentrum SEZ, wo die Senatsverwaltung selbst auf IFG-Anträge die Info nicht ausspucken wollte. Nachdem wir vor dem Verwaltungsgericht geklagt haben, wissen wir auch warum. Nur macht das jetzt keinen Unterschied mehr, weil die Staatsanwaltschaft sowieso Verjährung festgestellt hat, falls überhaupt etwas dran gewesen sein sollte.

Der andere Fall war jetzt der Wasserdeal. Leider ist die Berliner Verwaltung trotz Informationsfreiheitsgesetz oftmals offenbar nicht sehr an Transparenz interessiert. So gibt es dann auch keine andere Möglichkeit, einen Verdacht prüfen zu lassen, wenn man es nicht einfach auf sich beruhen lassen will. Ein weiteres Problem ist aber auch, dass ein Staatsanwalt sicher nicht sonderlich begeistert ist, wenn er eine Strafanzeige gegen ein Regierungsmitglied auf dem Tisch hat. Man will sich ja die Karriere nicht versauen. Im Falle unserer Strafanzeige wegen des SEZ hatten wir immerhin innerhalb von zweieinhalb Wochen die Absage der Staatsanwaltschaft auf dem Tisch. Zu der Zeit hatten Strafanzeigen normalerweise 3 bis 4 Monate auf die Bearbeitung gewartet. ALEXANDER KRAUS, Vorstandsvorsitzender Bund der Steuerzahler Berlin e. V.

Unentwegte Futuristen

■ betr.: „Der Kampf mit der Vergangenheit“, taz vom 27. 7. 14

Auch wenn ich die deutliche Kritik an einigen Akteuren, hier insbesondere die „Traditionsgemeinschaft“, teile und mich nur für einen Wiederaufbau als Versöhnungszentrum engagiere: Ich möchte mich dennoch gegen die teilweise bösartigen Behauptungen der Gegner wehren. Mit den Worten „preußisches Disneyland“, „kontaminiert“ oder „Nazi-Kirche“ beschränkt sich die „Initiative Potsdam ohne Garnisonkirche“ auf schlichte Polemik. Eine kritische Debatte über den 21. März 1933 ist notwendig. Dennoch ist die Wirklichkeit in Potsdam grauer, als es die Agit-Prop-Reden von Simon Wohlfahrt und seinen Unterstützer sind. Vielleicht sollten sich die Barock-Gegner noch einmal in Erinnerung rufen, dass es der Bauhausschüler und Planer Ernst Neufert war, der schon 1943 mit seiner von Speer und Hitler beförderten Bauordnungslehre „Der Mensch Maß aller Dinge“ die Grundlage für den Bau industriell vorgefertigter Plattenbaugroßwohnsiedlungen in West- und Ostdeutschland nach 1945 entwickelt hat. Warum verliert Simon Wohlfahrt kein Wort über die großflächige Sprengung von Innenstadtquartieren (aus der Zeit vor 1933) in der DDR? Wenn über Le Corbusiers Antisemitismus; seine Anbiederung an die europäischen Faschisten gesprochen wird, verlieren sich die unentwegten Futuristen und Funktionalisten nicht selten in Beschwichtigungsrhetorik oder stellen sich dumm. Welcher Baustil ist historisch nicht „kontaminiert“ oder ohne Widersprüche? MARCUS ERICH-DELATTRE, Hamburg

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