Weltkrieg an der Heimatfront

100 JAHRE Am 2. August 1914 besetzte Deutschland erst Luxemburg, einen Tag später Belgien. Auch viele Freiwillige zogen an die Front. Doch längst nicht alle wollten diesen Krieg

VON UWE RADA

Vaterlandslose Gesellen: Als das SPD-Zentralorgan Vorwärts am 25. Juli 1914 zu Massenkundgebungen gegen den Krieg aufrief, schien die deutsche Sozialdemokratie einmal mehr ihr Image zu bestätigen. „Nieder mit dem Kriege!“ und „Hoch die internationale Völkerverbrüderung!“, lauteten die Parolen.

Obwohl die Demonstration am 28. Juli vom Berliner Polizeipräsidenten verboten wurde, kamen fast 100.000 Kriegsgegner in der Innenstadt zusammen und zeigten, dass die Reichshauptstadt nicht allein den Hurrapatrioten, Kriegsenthusiasten und Freiwilligen gehörte.

Deren Kundgebungen hatte Polizeichef Traugott von Jagow zuvor nicht verboten. „Züge von mehreren tausend Personen ziehen zum Schloss, zu den Botschaften, singend und Hurra schreiend.“ Das schrieb der Chefredakteur des Tageblatts, Theodor Wolff, nach dem österreichischen Ultimatum an Serbien.

Jubel und Beklemmung, Kriegsbegeisterung und Antikriegsdemonstrationen: Die Stimmung in Berlin war in den letzten Tagen des Juli 1914 und den ersten Augusttagen gespalten. Das änderte sich jedoch, als der Krieg am 2. August 1914 tatsächlich begann. Zwei Tage später stimmte die SPD den Kriegskrediten zu. Aus den vaterlandslosen Gesellen wurden treue Verbündete des Kaisers und seines „Burgfriedens“.

Zahlreiche Schauplätze, an denen vor hundert Jahren die Schlachten an der „Heimatfront“ geschlagen wurden – die „Maikäferkaserne“ in der Chausseestraße, in der sich die Freiwilligen meldeten, die SPD-Zentrale in der Lindenstraße 3 –, sind verschwunden. Doch der Stimmung lässt sich nachspüren. Auch der Ernüchterung, die sich bald breitmachte. Zwar blieb Berlin wie der allergrößte Teil Deutschlands vom unmittelbaren Kriegsgeschehen verschont, der Hunger aber kam bald – und am Ende die Revolution.

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