Die kälteste Stadt

OBDACHLOSIGKEIT Im vergangenen Winter sind vier Menschen in Deutschland erfroren, zwei davon in Hamburg. Die Sozialbehörde lobt trotzdem weiter ihr Notprogramm

Das städtische Programm läuft von November bis April.

■ 94 Plätze gibt es in diversen Kirchengemeinden.

■ In der Sportallee sind in einer Notunterkunft weitere 100 Betten aufgestellt.

■ Obdachlose Frauen können in Wohncontainern bei der HAW und im „Frauenzimmer“ übernachten.

■ Reguläre Anlaufstation für Männer ist die Einrichtung „Pik As“ mit 190 weiteren Schlafplätzen.

■ In Jenfeld gibt es weitere 70 Plätze, sie ersetzen die Plätze in der umstrittenen Not-Unterkunft im Bunker am Hachmannplatz.

Der 64-Jährige liegt erfroren in einem Gebüsch in Altenwerder als Spaziergänger ihn bei ihrem Neujahrsspaziergang finden – es ist sein Nachtlager. Ende Februar wird ein 62-jähriger Mann in einem kleinen Park bei einer Hochhaussiedlung gefunden, tot durch Kälte.

So klingen die Meldungen über Obdachlose, die den vergangenen Winter in Hamburg nicht überlebt haben. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe sammelt solche Medienmeldungen und wertet sie aus. Ihr Ergebnis: Im ganzen Bundesgebiet starben im vergangenen Winter vier Menschen, zwei davon erfroren in Hamburg.

Dabei war die Zahl der Hamburger Fälle die Jahre zuvor nicht auffällig. Und: Die bundesweite Zahl der Kältetoten ging zurück. Im Winter 2009/2010 fand der Verein Hinweise auf 17 Kältetote in Deutschland, einer davon kam aus Hamburg. „Wir glauben, dass es in diesem Jahr weniger geworden sind, wegen der vielen Toten im Winter davor“, sagt die Sprecherin des Verbands Werena Rosenke. Die meisten Städte hätten darauf reagiert und ihre Programme verbessert. Meist deuteten Kältetote auf Probleme bei der Unterbringung hin, sagt sie.

Doch was geschah in Hamburg? Die Stadt hatte ein Notprogramm aufgelegt. Doch es gab Probleme und Kritik. Stephan Karrenbauer hatte zum Beispiel gewarnt, dass es zu wenige Schlafplätze für Obdachlose in Hamburg gab: „Unter diesen Umständen ist zu befürchten, dass bald die ersten Menschen auf Hamburgs Straßen erfrieren“, sagt der Sozialarbeiter beim Straßenmagazin Hinz&Kunzt Ende November 2010.

Karrenbauer berichtet im nun von mehreren hundert Leuten, die den Winter über auf der Straße gelebt hätten – die Unterkünfte seien bis heute alle belegt. „Die Stadt hat nicht das Angebot gemacht, das die Menschen, die schon lange auf der Straße leben, annehmen können“, sagt er. Hinz&Kunzt hat ein eigenes kleines Notprogramm aufgebaut und Monteurszimmer angemietet. Karrenbauer fordert: Die Kapazitäten der Unterkünfte müssen ausgebaut werden.

Julia Seifert, Sprecherin der Sozialbehörde sagt: „Jeder einzelne Fall ist tragisch und wird genau untersucht.“ Es werde geprüft, ob Hilfe angeboten wurde. Jemanden zwingen in eine Unterkunft zu gehen, könne man nur in Notsituationen mit richterlichem Beschluss. Bei mindestens einem Hamburger Fall gebe es Hinweise darauf, dass er angebotene Hilfe nicht angenommen habe. Seifert sagt, ihr werde berichtet, dass das Notprogramm gut angenommen worden sei. Nach jedem Jahr werde evaluiert. DANIEL KUMMETZ