„Europa direkt schuld“

VORTRAG Europas Grenzen sind tödlich. Flüchtlinge, die sie illegal überwinden, haben keine Rechte

■ 38, ist stellv. Chefredakteurin des österreichischen Magazins News. 2006 erschien ihr Buch „Gestürmte Festung Europa“.

taz: Frau Milborn, was kritisieren Sie an Europas Flüchtlingspolitik?

Corinna Milborn: Europas Festung treibt Flüchtlinge in den Tod. Seit 1993 sind 15.000 Tote registriert. Bis zu 20 Millionen Menschen leben in Europa ohne Papiere. Sie haben keine Rechte, können beispielsweise ihren Lohn nicht einfordern.

Welche Rolle haben da die Gewerkschaften?

In Österreich melden sie illegal Beschäftigte der Polizei. In Spanien sind Gewerkschaften traditionell internationalistischer und sehen sich für alle verantwortlich, die dort arbeiten. Auch Ver.di und die IG-Metall bewegen sich langsam in diese Richtung.

Warum verleiht Deutschland keine Amnestien?

Durch den großen Glauben an die Gesetze tut man sich schwer, diese den Realitäten anzupassen. Das Grenzregime der EU fördert Menschenhandel und Zwangsprostitution.Die Politiker wissen gleichzeitig, dass die Papierlosen gebraucht werden.

Inwiefern?

Landwirtschaft, Gastronomie, häusliche Pflege, Bau- und Sexbranche könnten ohne deren extreme Ausbeutung nicht existieren. Weil es so schwierig ist, in die EU zu kommen verlangen Schlepper bis zu 15.000 Euro. Die müssen zurückgezahlt werden.

Was muss sich ändern?

Das Massensterben an der europäische Grenze muss dringend gestoppt werden, Menschen müssen einwandern und hier arbeiten dürfen. Gegen die großen Einkommensunterschiede muss die Entwicklung in den Herkunftsländern gefördert werden. Die Umbrüche in Nordafrika bieten dafür eine große Chance. An den Zuständen dort ist Europa direkt schuld, wir haben die Diktatoren geschützt. Interview: JPB

19 Uhr, Schwankhalle