Die große Dröhnung

Eigentlich schien die Sache recht kurzlebig. Wie soll das auch anders gehen bei einem Genre, das man in erster Linie mit einer Band in Verbindung bringt, die sich nach sieben Jahren wieder in Wohlgefallen auflöst? Angeblich war es die kalifornische Wüste von Palm Springs, von der sich die Band Kyuss Anfang der Neunziger zu ihrem schwerfälligen Stil inspirieren ließ, für den die Musiker zunächst gar keinen richtigen Namen hatten. In ihrer Not sprachen sie einfach von „Desert Rock“.

Viel passender war natürlich die offizielle Sprachregelung, die sich wenig später durchsetzen sollte: „Stoner Rock“ verweist recht deutlich auf ein wesentliches Element dieses Genres, das als Inspiration für das Quartett Kyuss mindestens genauso wichtig gewesen sein dürfte wie der flirrende Wüstensand von der Westküste: der bewusstseinserweiterte Zustand des „Stoned“- bzw. Bekifftseins, der freilich schon in den Sechzigern und Siebzigern so manche Rocker-Karriere beflügelt hatte.

Psychedelik, Blues Rock, der Proto-Heavy-Metal von Led Zeppelin: All das kann man im Stoner-Sound wiederfinden. Nur dass die Gitarren noch undurchdringlicher verzerrt waren und, da tiefer gestimmt als handelsüblich, noch eine Spur schwerfälliger rockten. Hinzu kam ein gedrosseltes Tempo, von dem sich insbesondere kannabinoide Hörer trefflich davontragen lassen konnten.

Die Übergänge zu verwandten Metal-Spielarten wie Doom und Drone waren fließend, wobei interessant ist, dass der zwar verlangsamt, aber immer noch zähflüssig rockende Stoner Rock sich mit Ende von Kyuss mehr oder minder in Wohlgefallen auflösen sollte, während das praktisch rockfreie Drone-Genre mit seinen statischen Liegebässen, deren Dynamik am ehesten noch durch allmähliche Obertonverschiebungen mittels Rückkopplungen entsteht, dieser Tage fröhliche Urständ feiert.

Die ambivalente Zwischenstellung des Stoner Rock – die Bands wie Monster Magnet in Richtung überdrehten Space Rock auflösen sollten – scheint im Drone komplett in die Parameter Frequenz und Verzerrung zu zerfallen. Man kann so etwas als Regressionsbewegung betrachten, ergiebiger ist aber der Ansatz, darin eine neue Lust am Experiment zu sehen. Bands wie Boris oder Sunn 0))) etwa stehen im Zentrum der radikalen Zerdehnungsbewegung mit ihren unterschiedlichsten Spielarten.

Und wie es im Musikbetrieb mittlerweile fast unvermeidlich ist, haben sich auch Kyuss, zu drei Vierteln wenigstens, wieder formiert und erfreuen ihre ergebenen Fans aktuell als „Kyuss Lives!“. TIM CASPAR BOEHME

■ Kyuss Lives!: Columbiahalle, Mittwoch, 20 Uhr. Ausverkauft