Die Nachteile der Freiheit

TTIP Das Buch „Die Freihandelsfalle“ fasst die Argumente gegen das geplante Abkommen zwischen der EU und den USA zusammen. Die Kritik am grenzenlosen Wirtschaftsaustausch bleibt aber undifferenziert

Das geplante Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA steht unter keinem guten Stern. Die Aussicht etwa, dass es transnationalen Unternehmen leichter gemacht werden könnte, Regierungen auf Schadenersatz zu verklagen, löst Proteste aus. Das Buch „Die Freihandelsfalle“ fasst nun Argumente derjenigen zusammen, die den Vertrag verhindern wollen.

Ein Ziel der Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) besteht darin, den Handel zwischen den beiden weltgrößten Wirtschaftsmächten zu erleichtern. Dabei soll das Abkommen auch zweifelhafte Bestandteile enthalten: Konzerne hätten beispielsweise bessere Möglichkeiten, die normale Gerichtsbarkeit, etwa die Verwaltungsgerichte, zu umgehen und ihre Anliegen vor speziellen Schiedsgerichten durchzusetzen. Deshalb nimmt die Kritik zu, und das TTIP geht möglicherweise denselben Weg wie ein ähnliches Abkommen (Multilateral Agreement on Investment, MAI), das Ende der 1990er Jahre an Widersprüchen zwischen den verhandelnden Regierungen und starkem außerparlamentarischem Protest scheiterte.

An dem schnell zu lesenden Buch haben Wissenschaftler aus dem Umfeld der globalisierungskritischen Organisation Attac mitgewirkt, außerdem Experten wie Pia Eberhard (Corporate Europe Observatory), Uwe Woetzel (Gewerkschaft Ver.di), Sven Hilbig (Brot für die Welt) und Lori Wallach (Public Citizen). In der Auseinandersetzung mit TTIP verteidigen die Kritiker das Vorsorgeprinzip im europäischen Umweltrecht. Dieser Grundsatz besage: Neue Chemikalien dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie nachweislich ungefährlich sind. Das US-Recht kenne dagegen ein anderes Verfahren, so die Autoren: Genehmigungen würden erteilt, wenn eine Gefährdung für Menschen und Umwelt unwahrscheinlich sei. Sollte es zu einem Kompromiss kommen, würde das europäische Schutzniveau abgesenkt, sagen die Kritiker. Sie befürchten, dass Ähnliches auch bei Finanzdienstleistungen und im Patenrecht passiert.

Problematisch an dem Buch ist sein teilweise zu hoher Anteil linker Ideologie. Freihandel scheint nur Nachteile, aber keine Vorteile zu haben. Ein Zitat: „Industrievertreter eichen Volkswirtschaften auf eine Form des Wirtschaftens, die sich ausschließlich an Konkurrenzfähigkeit und hohen Gewinnen orientiert.“ Dies mag eine Absicht der Wirtschaftslobbyisten sein. Häufig können sie diese allerdings nicht ungebrochen in praktische Politik umsetzen. Der Eigensinn von Parteien, Institutionen und eben auch kritischen Bevölkerungsgruppen steht dem entgegen.

Zudem gibt es durchaus Argumente für Freihandel, wenn er in eine vernünftige Politik eingebettet ist. Wie die vergangenen Jahrzehnte der Globalisierung zeigen, kann er dazu beitragen, Armut zu verringern. Hunderte Millionen Menschen in China, Indien und Brasilien haben Zugang zu gewissem Wohlstand erhalten. Ein weiterer Vorteil von Freihandel besteht darin, die gegenseitige Abschottung von Nationen zu verhindern.

Insofern sollten Linke das TTIP nicht grundsätzlich verdammen, sondern eine differenzierte Kritik üben: Vereinbarungen über Außenspiegel von Autos, technische Normen und Zollsenkungen sind in Ordnung, weitergehende Eingriffe in die Regelungskompetenz von Parlamenten und Regierungen aber nicht.

HANNES KOCH

Andreas Fisahn,

Harald Klimenta et al.: „Die Freihandelsfalle.

Transatlantische Industriepolitik ohne Bürgerbeteiligung – das TTIP“.

VSA-Verlag,

Hamburg 2014, 126 Seiten,

9 Euro