Übungen für das wirkliche Leben

In den Deutschkursen an den Carl Duisberg Centren in Köln steht „lebendiges Lernen“ im Vordergrund. Alpheus Mvula aus Namibia, der sich hier auf ein Kunststudium vorbereitet, will sich bei seinen Ausstellungen künftig auf Deutsch verständigen

VON LUTZ DEBUS

In nur vier Monaten will Alpheus Mvula Deutsch lernen. Der Künstler, der im Norden von Namibias Hauptstadt Windhoek einen Skulpturengarten und eine Galerie mit seinen Werken gefüllt hat, beginnt im März sein Studium an der Kunsthochschule in Bremen. Um dort dann Dozenten und Studenten verstehen zu können, besucht er zur Zeit einen Intensivkurs bei den Carl Duisberg Centren in Köln. „Der Unterricht ist gut“, urteilt der 34-jährige Mvula in gebrochenem Deutsch. Besonders gefalle ihm die bunt zusammengesetzte Klasse, erklärt er dann etwas differenzierter in seinem afrikanisch klingenden Englisch. Im Seminarraum sehe es fast aus wie bei der UNO.

Die 13 Kursteilnehmer kommen aus Mexiko, Spanien, Südafrika, Äthiopien, Gabun, Südkorea, Japan, Kamerun, Ecuador, den USA und eben aus Namibia. Die Welt in einer Nussschale, sinniert der Künstler aus dem südlichen Afrika. Gemeinsam ist den künftigen Studenten, dass sie sich in dem ihnen fremden Land nur auf Deutsch verständigen können. Südkoreaner können selten Spanisch und Mexikaner noch seltener Japanisch. So sei man, um miteinander reden zu können, auf die zu lernende Sprache angewiesen.

Ulrich Achilles, Leiter des Bereiches Deutschkurse, erklärt das pädagogische Konzept. „Natürlich müssen wir auch ein gewisses Maß an Grammatik und Vokabeln vermitteln. Aber im Vordergrund steht das lebendige Lernen.“ Dies geschieht zum Beispiel durch Rollenspiele. So war Alpheus Mvula an diesem Morgen bereits Arzt und auch Patient. Sein „Wie geht es Ihnen?“ klingt für einen deutschen Mediziner natürlich noch viel zu freundlich und charmant. Diese Feinheiten, so schmunzelt Achilles, könne man in vier Monaten nicht vermitteln. Natürlich komme im Unterricht auch moderne Technik zum Einsatz. Videosimulationen erklären den zukünftigen Hochschülern das wirkliche Leben in Deutschland. Letztlich werde nur ein Grundwissen vermittelt. Medizinstudenten bräuchten einen anderen Wortschatz als Germanistikstudenten oder gar Künstler. Ähnliches gelte, so Achilles, auch für die Fremdsprachenkurse, die das Institut anbietet für Deutsche, die im Ausland studieren wollen. Aber eine Basis, um den eigenen Interessen gemäß mehr zu lernen, sei mit so einem Intensivkurs geschaffen.

So tummeln sich am Nachmittag in der unterrichtsfreien Zeit auch manche der Lernenden in der Mediothek, lesen deutsche Zeitungen oder Fachzeitschriften, hören Radio, sehen Filme. Alpheus Mvula sitzt vor dem Computer. Per E-mail hält er den Kontakt zu seinen Freunden in Windhoek. Im Gegensatz zu vielen anderen aus dem Kurs, die nach der Oberschule direkt nach Deutschland gekommen sind, ist Alpheus Mvula in Namibia schon ein etablierter Künstler, der in Bremen sein Wissen vervollständigen will. In seiner Heimat arbeitet er für die Nationale Kunstgalerie. Seine Skulpturen, in Stein gehauen, wirken archaisch. Frauen, Männer, Kühe. Diese Motive finden sich auch auf seinen Drucken wieder. Besonders die Kühe haben es ihm angetan. Sein Vater war Stammesoberhaupt in einer Gegend, die von der Viehzucht geprägt ist. Als Kind war Alpheus Hirte. Und so ist er überzeugt: „Kühe sind universell, die gibt es überall.“

Als er vor drei Jahren das erste Mal nach Europa kam, war er dann aber doch überrascht. Die Kühe, die er in Holland auf der Weide sah, waren ganz anders als die in Namibia. „So farbig, und so kleine Hörner.“ Tatsächlich tragen die afrikanischen Rinder viel längere. Auf seinen Bildern wachsen aus den Kuhköpfen zuweilen Spaliere von Hörnern. In dunklen, warmen Erdfarben gemalt, stehen die Kühe auf den Gemälden von Alpheus Mvula herum wie alte Menschen, weise, wissend, wartend. In Berlin wird er im nächsten Monat eine Ausstellung mit seinen Werken eröffnen. Dort werden nur Kühe zu sehen sein.

Das Erlernen der Sprache, so gesteht Alpheus Mvula ein, helfe ihm natürlich auch kommerziell weiter. Schon drei Mal war er in den vergangenen Jahren in Deutschland, um hier einem Fachpublikum seine Kunst vorzustellen. In Köln könne er sich oft auch mit Englisch verständlich machen. Aber bei seinen Ausstellungen in Wesel, Rheine oder Borken hätten ihm ein paar Brocken Deutsch sicher nutzen können. In kleineren Städten, so seine Erfahrung, beherrschten die Leute nicht so viele Sprachen.

Er selbst spricht neben seiner Muttersprache Oshivambo Englisch und ein wenig Afrikaans. Afrikaans sei, so erklärt Alpheus Mvula, nicht sehr populär. Die Sprache wird assoziiert mit der bis 1990 währenden Besetzung des Landes durch Truppen des südafrikanischen Apartheidregimes. Die Amtssprache Englisch beherrschten in Namibia nicht sehr viele Menschen. Hingegen können besonders ältere Menschen noch Deutsch. Schließlich war das Land von 1871 bis 1918 Kolonie des Deutschen Reiches. Das Stadtzentrum von Windhoek ist noch immer geprägt von den Hinterlassenschaften der ehemaligen Kolonialherren, der Christuskirche und dem Reiterdenkmal. Wenn er wieder zu Hause ist, kann Alpheus Mvula sogar eine deutschsprachige Zeitung lesen. Die Allgemeine Zeitung erscheint im ganzen Land. Wichtiger ist ihm aber, die Kinder, die seine Malschule in Windhoek besuchen, nun besser zu verstehen. Neben afrikaans- und englischsprachigen Schülern besuchen auch Kinder sein „Artstudio“, die nur Deutsch können.

Groll verspürt Alpheus Mvula gegenüber den alten Kolonialherren nicht. Sicherlich, sein Volk, die Ovambo, haben, während Nama und Herero in blutigen Aufständen nieder gemetzelt wurden, vergleichsweise wenig unter den Deutschen gelitten. Aber für viele Namibier sei die Besetzung durch Südafrika ohnehin viel präsenter als die vor knapp 90 Jahren zu Ende gegangene Kolonialzeit. Er selbst fühle sich als Afrikaner und glaube, dass der Krieg der Europäer gegen die Afrikaner zu Ende ist. „Wir haben eine Tür geöffnet.“

Damit meint Alpheus Mvula, dass sich sehr viel mehr Menschen in Europa für afrikanische Kultur interessieren als früher. Er selbst schätze beide Kulturen. Tief beeindruckt war er, als er die berühmten Originale von Monet und Kandinsky in Museen sah. Zuvor kannte er die Bilder nur aus Kunstbänden. Andere Dinge in Deutschland bleiben ihm wiederum fremd. Mit einem Lächeln versucht er sich an dem Wort „Würstchen“. Ob Bock- oder Bratwurst gemeint ist, bleibt selbst nach intensivem Nachfragen unklar. Aber auf etwas Deutsches freut er sich dann doch: „In den nächsten Tagen wird hier eine berühmte Parade veranstaltet. Das ist bestimmt interessant.“