aus der mensa: tibetanischer buttertee von HARALD KELLER
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Leis erklingt das Lied der Kettensäge. Draußen vor dem Mensagebäude löst sich eine Baumgruppe auf. Der Sturm hat den Stämmen zu schaffen gemacht. Außerdem waren sie von Gewürm befallen. „Genau wie der Fisch hier“, unkt Droll. Brav lassen die Damen ein „Iiieh!“ hören.

Es ist wieder einer dieser Tage, an dem aktuelle Prospekte getauscht werden. Denn wenn man in der Runde aus bekennenden Unterschichtlern – „Ich bin Unterschichtler und das geht keinen was an!“ (Geierschnabel) – auch sonst nicht viel studiert, so doch die günstigsten Lebensmittelpreise. Eine der bunten Beilagen preist als Angebot der Woche einen „Boden-Staubsauger“ an. „Wäre das nichts für dich?“, erkundigt sich Droll bei Wabble, der eigentlich auf jede Sonderaktion anspringt und dabei selten auf den Nutzwert achtet. „Och, nö, lass mal“, wehrt der Beehrte ab. „Ich bevorzuge Boden-Luft-Staubsauger, mit denen man Tornados vom Himmel holen kann.“ – „Ujuijui“, macht Strunk. „Lass das mal keinen Terroristenjäger hören.“

Klumpe hat einen Witz von außerhalb mitgebracht. Ein Kollege verriet ihm, dass sich der Kinofilm „Dreamgirls“ eigentlich an Pferdefreunde richte. „Hm?“, wundern sich die anderen. „Na, der handelt doch von Diana Ross.“ Die Männer tauschen viel zu viel sagende Blicke und lassen ein näselndes Hüsteln hören. „Namenswitze sind verboten“, fistelt Hanni. „Schade“, bedauert Notthoff. „Ich hätte noch einen über das Beerchen gewusst.“ – „Über wen?“ – „Über die Hauptdarstellerin Halle Berry.“ Empört wächst Klumpe in die Höhe. „Halle Berry ist nicht die Hauptdarstellerin von ‚Dreamgirls‘!“ Strunk ließe sich gern belehren: „Wer denn dann?“ Dummerweise fällt Klumpe gerade der Name nicht ein. Mit der Entgegnung „Na, die von Destiny’s Child“ kommt er nicht weiter. Darum wird er bildlich: „Die mit den Gerd-Müller-Schenkeln.“ Mit dieser Auskunft kann der einschlägig disponierte Wabble etwas anfangen: „Du meinst Beyoncé?!“, schlussfolgert er filetiermesserscharf. „Wer ist Beyoncé?“, gibt Strunk noch immer keine Ruhe. Was andere für den Nabel der Welt halten, gilt diesem Sonderling wenig. Er hat nicht einmal eine Vorstellung davon, was er alles ignoriert.

Unterdessen haben die Damen ein Gespräch über das Wetter begonnen, denn es ist doch noch Winter geworden. Mit der ihr eigenen Dialektik freut sich Hanni über den Schnee, beklagt aber die beißende Kälte. Hilfsbereit offeriert Babs, die man nie Babsi nennen darf, des Nachmittags vorbeizukommen und einen wärmenden tibetanischen Buttertee zuzubereiten. Hanni ist die Sache nicht geheuer, Droll nennt sie beim Namen. „Lass mal sein. Nachher ist Hanni wieder schlecht. Dann hängt sie über der Balkonbrüstung und füttert die Tauben.“ Geierschnabel nimmt den Speichelfaden auf: „Und der Nachbar von unten meldet seiner Gattin: Guck mal, Mutter, der Schnee ist ganz braun. Die haben oben wieder tibetanischen Buttertee gekocht.“

„Iiieh!“, machen die Damen pflichtschuldigst, und dann ertönt auch schon die Glocke, die die baldige Schließung des Speisesaales ankündigt. Zeit, zum Nachtisch überzugehen. „Löffeln wir’s aus!“, ruft Notthoff. „Löffeln wir’s aus!“, skandieren die Freunde aus der Mensa.