Gebührenboykott verfehlt das Ziel

Studierende in Baden-Württemberg bekommen nicht genug Teilnehmer für ihren Boykott der Unigebühren zusammen. Damit ist die letzte kollektive Aktion gegen das Bezahlstudium gescheitert. Jetzt helfen nur noch Klagen – in Hessen geht es schon los

VON MARTIN KAUL

Es war das Versuchsfeld eines zuletzt verzweifelten Kampfes. Seit Jahrzehnten wenden sich Studierende gegen Studiengebühren. Am Ende kämpften sie richtig. Mit einem massenhaften Boykott des Bezahlstudiums wollten sie jene Bundesländer herausfordern, die Studiengebühren einführen. Doch die letzte Schlacht scheint verloren.

Die Studierenden in Baden-Württemberg versuchten, einen Teil der Gebühren auf Sperrkonten zu überweisen – um so politischen Druck auf die Landeswissenschaftsminister auszuüben. Im organisierten Geldbehalten aber laufen heute an den Universitäten in Stuttgart, Freiburg, Heidelberg und Tübingen weitere Rückzahlfristen ab. Damit gehen im Gebührenkampf wichtige Unis verloren, weil die Studierenden die Mindestbeteiligungen nicht erreichen.

In Freiburg kamen bis gestern 1.888 Boykotteure zusammen – benötigt wurden 5.500 Boykott-Meldungen. In Heidelberg parkten 800 statt der erwarteten 4.500 Studis ihr Gebühren auf ein Sperrkonto, Tübingen 1.000 von 6.100, die es gebraucht hätte. Auch in Stuttgart verweigerten sich nur rund 500 Studierende, 6.100 hätten es aber sein müssen, um das Sperrquorum zu erreichen. Ernüchternde Zahlen für die Studierenden.

Weil damit die großen Universitäten im Ländle ihre Boykott-Quoren nicht erfüllt haben, stehen die erfolgreichen Hochschulen unter Druck. An der Karlsruher Hochschule für Gestaltung etwa, wo der Boykott erfolgreich war, läuft heute die bereits verlängerte Nachzahlfrist aus. Damit beginnen die Mahnverfahren gegen die Studierenden – und die Exmatrikulation droht.

Insgesamt ändert sich nun die Strategie der Studenten in Baden-Württemberg. „Wir stellen uns auf Schadensbegrenzung ein. Wenn wir nun Kunden sind, werden wir unsere Ansprüche einfordern – bis hin zu Einzelklagen“, sagt Boris Bartenstein, Sprecher der Landesastenkonferenz. Am Samstag wird über die weitere Strategie beraten.

Für die anderen Bundesländer sieht Fredrik Dehnerdt, Geschäftsführer beim Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS), im Boykott-Modell dennoch eine Perspektive: „Wir konnten in Baden-Württemberg und Niedersachsen 10.000 Menschen von unserer Idee überzeugen.“ Für Hamburg und Hessen, wo im kommenden Semester Studiengebühren anstehen, könne man aus den bisherigen Boykott-Kampagnen viel lernen, gibt sich Dehnerdt optimistisch.

Rückendeckung erhalten die Boykottierer unterdessen von SPD und Grünen in Hessen, die gestern Verfassungsklage gegen die Einführung von Studiengebühren eingereicht haben. Der Klage vor dem Staatsgerichtshof haben sich alle 45 Abgeordneten von SPD und Grünen im hessischen Landtag angeschlossen. Der Hamburger Staatsrechtler Arndt Schmehl erklärte als Prozessbevollmächtigter beider Fraktionen, der unentgeltliche Besuch staatlicher Hochschulen sei in der hessischen Verfassung garantiert. Allerdings gibt es eine solche Garantie ohnehin nur in der hessischen Verfassung.