Schweigekünstler Schily bleibt sich treu

Der Ex-Innenminister erklärt, warum er seine exklusiven Kenntnisse über die Entführung des Deutschen Khaled El Masri durch die CIA für sich behielt: aus Staatsräson. Ob er schon vor El Masris Freilassung informiert gewesen sei? „Kompletter Unsinn“

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Im Untersuchungsausschuss des Bundestags zu den Aktivitäten in- und ausländischer Geheimdienste wird selten gelacht. Es geht schließlich um ernste Dinge, Entführungen und Folter. Gestern aber kam trotzdem Heiterkeit auf. Otto Schily war da.

Der frühere Innenminister der rot-grünen Regierung provozierte das ungewohnte Gelächter im kühlen Ambiente durch seine gewohnt schnoddrig-schlagfertige Art, lästige Fragen abzuwimmeln und durch einen Fauxpas mit seiner Brille, den er ebenso genüsslich zelebrierte wie seinen Unwillen, mehr als unbedingt notwendig zu sagen. Kurz und knapp nahm er zunächst dazu Stellung, warum er seine frühen, exklusiven Kenntnisse von der Verschleppung des deutschen Staatsbürgers Khaled El Masri durch die CIA bis zu Veröffentlichungen in amerikanischen Zeitungen für sich behielt.

El Masri war nach eigenen Angaben, die auch deutsche Behörden für glaubwürdig halten, Ende 2003 ohne Angabe von Gründen nach Afghanistan verschleppt und monatelang ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten worden, wobei er auch misshandelt worden sei.

Wie sich die US-Regierung zu dem Vorgang verhalten hatte, wusste Schily früher als andere Regierungsmitglieder und die Öffentlichkeit. Der damalige US-Botschafter Daniel Coats habe ihn am Pfingstmontag 2004 um ein Gespräch gebeten und davon unterrichtet, dass den USA „ein Fehler“ unterlaufen sei, erklärte Schily. Man habe einen Mann arabischer Herkunft festgenommen, so Coats, weil sein Name auf einer „Watchliste“ der US-Behörden gestanden habe. El Masris deutschen Pass habe man für gefälscht gehalten. Erst später habe man festgestellt, dass El Masri wirklich Deutscher ist. Der „Terrorismusverdacht“ habe sich „nicht bestätigt“. Kurz vor dem Gespräch mit Schily sei der Mann aber freigelassen worden.

Das alles war schon lange vor der gestrigen Ausschusssitzung bekannt. Erstmals erläuterte Schily, warum er sich an das „strikte Stillschweigen“ über den Fall hielt, das Coats verlangte: Er habe die Zusammenarbeit der deutschen und amerikanischen Sicherheitsbehörden nicht gefährden wollen. Vehement bestritt Schily, schon vor der Freilassung El Masris von dessen Entführung gewusst zu haben. Dies sei „kompletter Unsinn“.

Weitere Nachfragen wollte Schily nur in nichtöffentlicher Sitzung beantworten – selbst eher harmlose Details. Als der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) wissen wollte, wann er einem Mitarbeiter gesagt habe, er solle zu dem Gespräch mit dem US-Botschafter mitkommen, sagte er: „Also, auf jeden Fall vor dem Gespräch.“

Dann passierte ein Malheur. „Ich habe jetzt zu lange an meiner Brille herumgespielt“, stellte der frühere Innenminister nach knapp einer Stunde im Zeugenstand fest. „Die ist sehr filigran.“ Und jetzt war ein Bügel abgebrochen. Daraufhin bot ihm der frühere grüne Parteifreund Christian Ströbele seine Brille an, er habe zwei dabei. Schily lehnte dankend ab und sagte zu Ströbele: „Ich weiß nicht, ob Sie meinen Grad der Weitsichtigkeit haben.“