Should I stay or should I go?

KARUSSELL Die einen müssen gehen, aber nicht sofort. Einer wackelt kräftig, und noch ein anderer hat keine Lust mehr auf seinen Klub, bleibt aber noch ein bisschen. Selten wurde mehr über Trainer gesprochen als in dieser Woche. Was ist nur los auf den Bänken der Liga?

Bringt ein neuer Trainer überhaupt bessere Resultate? Diese Frage stellt sich neben den Bundesligaclubs – etwa Eintracht Frankfurt, wo nach 723 Minuten ohne Tor Coach Michael Skibbe auf der Kippe steht – auch die Forschung. Eine Studie der Uni Münster hat alle 361 Trainerentlassungen in der Bundesliga analysiert. Das Ergebnis: Nach einem Trainerwechsel gewinnt ein Team weder mehr noch weniger Spiele als zuvor.

Die beiden Autoren, der Chemiker Andreas Heuer und der Sportpsychologe Bernd Strauß, haben jeweils die Tordifferenz der zehn Spiele vor und nach dem Trainerwechsel analysiert: „Statistisch gesehen folgen Trainerwechsel also der Logik des Würfelspiels“, so die Autoren.

„Eine Fußballteam ist ein soziales System. Und die Studie legt nahe, dass es auf einzelne Personen kaum ankommt“, folgert Strauß. Es sei deswegen auch weitgehend unerheblich, welcher Coach einen bestimmten Club trainiert. „Die Trainer in der Fußballbundesliga weisen in der Regel eine ähnliche Qualität auf.“ Vielmehr komme es auf einzelne Maßnahmen an, die ein Übungsleiter im Verein durchsetzen kann: „Wenn ein Trainer zum Beispiel neue Spieler oder ein Jugendkonzept mitbringt, macht das natürlich schon einen Unterschied“, sagt Strauß.

Entscheidend sei aber, dass die Chemie zwischen den handelnden Personen stimme. Deswegen habe es bei den Bayern Sinn gemacht, dass sich Trainer und Vorstand über das sportliche Konzept für die Zukunft unterhalten haben. Dass auf Schalke nach den zahlreichen Neuzugängen nicht alles rund läuft, ist für Strauß leicht erklärbar. „Wenn zu viele Akteure ausgetauscht werden, dauert es natürlich seine Zeit, bis das System funktioniert.“ Generell rät der Sportpsychologe, auf Kontinuität zu setzen. CHRISTIAN AICHNER

Im sportlichen Bereich hat allein der Trainer das Sagen. Diesen Satz haben Vorstände schon immer formuliert, wenn ihnen vorgeworfen wurde, sich allzu sehr mit der Mannschaftsaufstellung zu befassen. Gestimmt hat er fast nie. Die Präsidenten, Aufsichtsratschefs und Mäzene sind immer auch ein bisschen Trainer. Ihnen war es schon immer wichtig, dass die Spieler, die sie für teures Geld erworben haben, auch auf dem Platz stehen.

Es war eine Auseinandersetzung um genau dieses Thema, das einen Keil zwischen Vereinspräsident Uli Hoeneß und Trainer Louis van Gaal getrieben hat. Der Präsi wollte nicht verstehen, warum der Coach die Einkäufe Mario Gomez und Anatoli Tymoschtschuk links hat liegen lassen. Van Gaal war’s egal. Ihm war auch das Interesse der Klubführung an Nationalkeeper Manuel Neuer wurscht. Er setzte auf Thomas Kraft, weil er ihn einfach für gut hält. Er hat sich darauf verlassen, dass stimmt, was ihm versichert wurde – dass er das Sagen hat. Deswegen ist er gescheitert. Dass er jetzt noch bis Saisonende weitermachen darf, ist sicher kein Vertrauensbeweis. Es war eben keiner da, der die Verantwortung übernehmen wollte. Van Gaal hat in den Augen der Bayernführung schon lange, bevor er die drei Spiele hintereinder verloren hat, überzogen. Das hat sie sich nicht gefallen lassen. Die Münchner Loden-Patrizier haben sich durchgesetzt.

Auch woanders wird überzogen. Doch Jupp Heynckes darf das in Leverkusen. Er bekommt keinen Ärger dafür, dass er den vom Bayer-Konzern mit zusätzlichen Mitteln finanzierten Ex-Capitano kaltgestellt hat. Bayer präsentiert sich hier als wahrhaft moderner Klub, in dem der Trainer wirklich das Sagen hat. Der Fall Ballack hat eine prominente Parallele. Vor der Saison 2009/2010 verpflichtete der FC Barcelona den schwedischen Stürmer Zlatan Ibrahimovic für 70 Millionen Euro. Nach der Vorrunde stellte Trainer Pep Guardiola fest, dass er ihn in seinem System nicht brauchen könne, und ließ ihn einfach nicht mehr mitspielen. Der Coach hat sich durchgesetzt. Der Klub stieß Ibrahimovic wieder ab.

Die gefeierten Jungtrainer der Liga, Jürgen Klopp (Dortmund), Thomas Tuchel (Mainz) und Robin Dutt (Freiburg), haben mit derartigen Problemen übrigens nichts zu tun. Ihre Klubs halten sich keine Edelkicker, die den Ruhm des Standorts mehren sollen. Das macht es für die Trainer sicher leichter. Hamburgs Armin Veh indes hat ein ganz anderes Problem mit seinem Arbeitgeber. Er weiß nicht erst seit dem Rauswurf des Vorstandschefs Bernd Hofmann gar nicht mehr, was der Hamburger SV eigentlich will, und hat gekündigt, bevor ihm einer sagt, dass er nicht mehr in das neue Konzept, das es noch gar nicht gibt, passt. ANDREAS RÜTTENAUER

Vor versammelter Mannschaft muss er sich zusammenfalten lassen. Der Manager springt dem Coach zur Seite und rüffelt den Spieler in der Presse. Zustände wie in einer Diktatur. Schalker Verhältnisse? In der angeblichen Mainzer Wohlfühloase hatte es der slowakische Nationalspieler Miroslav Karhan gewagt, sich öffentlich darüber zu beklagen, dass Trainer Thomas Tuchel ihn nicht mehr aufstellt. Ist Tuchel, der nach gewonnenen Spielen immer so enthusiastisch „von seinen Jungs“ schwärmt, nichts anderes als ein Felix Magath im Spielerverstehergewand?

Dem Schalker Trainer war in der vergangenen Woche immer wieder vorgehalten worden, er regiere die Mannschaft mit allzu harter Hand. Ihm fehle soziale Kompetenz. Frank Wormuth, der Chef der Fußballlehrerausbildung beim Deutschen Fußballbund, meinte dazu in der Stuttgarter Zeitung, Trainer hätten sich „vom reinen Alphatier zu Teamplayern“ entwickelt. „Die jungen Leute machen sich heute mehr Gedanken, sie sind freiheitlicher erzogen worden und mit einer eigenen Meinung aufgewachsen.“ Demnach wäre Felix Magath an der neuen mündigen Spielergeneration gescheitert. Aber gibt es die wirklich?

Die gefeierten Jungspunde der Liga kommen zum Großteil aus den Jugendabteilungen der Klubs. Dort werden sie nicht nur fußballerisch geschult. Viele Trainer schwärmen von der charakterlichen Reife ihrer Talente und meinen nichts anderes als deren Angepasstheit. Und wenn ein gestandener Nationalspieler wie Philipp Lahm öffentlich die Ausrichtung seines Vereins kritisiert, dann diskutiert die ganze Liga darüber, ob ihm das als Spieler zusteht. Kaum vorstellbar, dass ein Trainer – und sei er noch so diktatorisch veranlagt – an dieser zurechtmodellierten Spielergeneration scheitert.ANDREAS RÜTTENAUER