Rätsel um vorgeführten Kevin

Die Stadtteilleiterin in Bremen-Gröpelingen erinnert sich an ein gesundes Kind, das ihr als „Kevin“ vorgestellt wurde

Hat der Ziehvater des toten Kevin das Amt für Soziale Dienste getäuscht, indem er im April mit einem anderen, gesunden Kind zu einem Dienstgespräch kam? Die zuständige Stadtteilleiterin Ulla Hempel hat diesen bösen Verdacht entstehen lassen. „Das Kind, was ich am 20. April 2005 in meinem Dienstzimmer auf dem Schoß hatte, ist auf mich zugelaufen und hatte blau-grüne Augen“, da ist sie sich sicher. Als sie nach dem Tod von Kevin ein Foto von einem Jungen mit braunen Augen in der Zeitung sah, habe sie spontan schon gedacht: Das ist nicht Kevin. Vollends ins Grübeln gekommen war sie, als ihr der SPD-Ausschussvertreter Hermann Kleen entgegenhielt: „Sie sind die einzige, die jemals Kevin haben laufen sehen.“ Auch die Kripo geht nach der Obduktion davon aus, dass Kevin nur krabbeln konnte. Aber die Stadtteilleiterin blieb gestern bei ihrer Aussage und verwies auf ihr gutes visuelles Gedächtnis. Sie ist diejenige, die in den Monaten nach dem April der Amtsleitung mitgeteilt hatte, Kevin gehe es gut.

Die Aussage wirft diverse Fragen auf, denn zum Beispiel waren sowohl Amtsvormund wie Casemanager dabei in der betreffenden Besprechung. Aber die hatten Kevin auch nicht so oft gesehen, das ist eines der Probleme in der von den Unternehmensberatern von Roland Berger inspirierten Organisationsform des „Amtes für Soziale Dienste“: Die Mitarbeiter und Casemanager sollen vom Schreibtisch aus den Fall verwalten, die „Dienstleistungen“ der freien Träger von Sozialhilfe koordinieren und auf die Kosten achten, aber Sozialarbeit im eigentlichen Sinne sollen sie selbst nicht leisten.

Der derzeit amtierende stellvertretende Amtsleiter war gestern als Zeuge vor dem Ausschuss geladen und brachte seine Überzeugung zum Ausdruck, dass „zu 98 Prozent gute Arbeit gemacht wird im Amt für soziale Dienste“. Nach dem Tod von Kevin herrsche eine „extreme Sensibilität“, und es seien verschiedene Arbeitsgruppen eingerichtet worden, um Mängel der Organisationsstruktur und der Kommunikation zu besprechen. Eine funktionierende Fachaufsicht scheint es allerdings bis heute nicht zu geben – „wenn ich das per ordre de mufti mache, bringt uns das nicht weiter“, sagte der Amtsleiter. kawe