die taz vor 16 jahren
: Der Golf & die Gattungsfrage

Die Ausgrabungen von Uruk, der alten Sumererstadt, haben das Gesicht der Warka zutage gebracht. Heute wird zwischen den Flüssen Iraks und der Küste des Persischen Golfs über das Überleben der Menschheit entschieden. Denn uns bleibt noch etwa eine Frist von hundert Jahren, um uns erdferne Energien nutzbar zu machen.

Die sich über acht Jahre, bis 1988 hinziehenden Bombardierungen der Ölfelder im Iran und Irak haben bereits dazu geführt, daß sich diese zu kurze Frist weiter verkürzt hat. Es ist an der Zeit, sich an eine einfache Wahrheit zu erinnern: Die Energieressourcen sind nicht Eigentum von Firmen oder Nationen, die ihre Ausbeutung betreiben. Rechtlich und faktisch gehören sie der ganzen menschlichen Gattung, und ihr vorzeitiges Verschwinden hätte als schwerwiegendste Konsequenz nicht eine simple Wohlstandseinbuße dieser oder jener Nation oder Firma zur Folge – sondern die Gefährdung der menschlichen Gattung an sich.

So kann eine Lösung für die Golfkrise nur darin bestehen, daß die Anliegerstaaten und ihre Nachbarn – ohne Ausnahme – sich zu einer ökonomischen Allianz zusammenfinden, nach dem Beispiel der Europäischen Gemeinschaft. Unter Vermittlung der Vereinten Nationen und unter Beteiligung aller abrahamischen Religionen. Das Überleben von Uruk ist verbunden mit dem Überleben der Söhne von Ur, der Stadt Abrahams/Ibrahims. Und aller anderen. Nach dem KSZE-Treffen von Paris muß uns das Frauenantlitz von Uruk an das erinnern, um das es geht: das planetare Überleben. Jean-Pierre

Faye, taz vom 27. 11. 1990