Der Diktator liebt Tatoos

„Kunst kommt nicht von Können. Kunst kommt von Haltung“ lautet ein Dogma von Yaneq, der heute in der Galerie Tristesse wieder die Formate Galerie und Club remixt

„Was gut und was schlecht ist, entscheide ich allein. Denn Kunst ist keine Demokratie. Kunst ist eine Diktatur und ich bin ihr Diktator!“ Dies ist das achte und wichtigste Dogma des Party-Arty-Manifestes. Verfasst von Yaneq, dem Diktator einer seit fast vier Jahren unregelmäßig im Friedrichshainer Lovelite stattfindenden Partyreihe. Unter dem Titel „night of vibes from different tribes“ remixt sie die Formate Galerie und Club. Das Programm beginnt meist mit Spoken Word, die Kunst hängt an den Wänden, es gibt einen Liveact und zwei DJs.

Im letzten Jahr hatte Yaneq im Keller des Festsaals Kreuzberg eine ständige Galerie. Sämtliche Werke von dort zeigt er nun in der Galerie Tristesse am Frankfurter Tor noch einmal, und zwar in Petersburger Hängung. Viel geht hier von der Street Art aus, doch längst nicht alles. Zwischen No Mad und Poet, Berühmtheiten der Berliner Szene, hängen auch eher klassischere Werke von Dirk Lange, Heiner Franzen oder Chérie von der Band Warren Suicide, deren gesamte Belegschaft zur Arty-Community gehören. In deren Loft in Neukölln finden auch die bohemehaften Party Arty Privatis statt, die als eine Art Happening eine weitere Facette des Konzeptes darstellt.

Yaneq sieht zwar die Party immer noch im Mittelpunkt, doch es wird zunehmend zur Routine, dass er sich näher am Kunstkontext bewegt. Sein Netzwerk aus Partymenschen ist längst um viele Galeristen, Künstler und auch Käufer erweitert und auf den Partys verkauft er bei jeder dritten Veranstaltung etwas. „Ich sehe mich aber nicht als Galerist. Und auch nicht ausschließlich als Partyveranstalter. Ich finde es interessant, etwas Neues zu schaffen, was alte Formate und Grenzen sprengt.“ Eigentlich ist Yaneq Rapper. Er hat letztes Jahr ein Album rausgebracht, arbeitet außerdem als Journalist und hatte eine Hauptrolle in dem Hauptsstadt-Rap-Film „Status Yo!“.

Dogma 10 des Party-Arty-Manifestes birgt einen interessanten Punkt und steht damit außerdem in Komplizenschaft zu einem großen Denker deutscher Kulturwissenschaft: „Kunst kommt nicht von Können. Kunst kommt zu allererst von Haltung!“ Yaneq erzählt dazu: „Ich habe mal ein Mädchen gesehen, die hatte das schickste Tattoo auf dem Rücken, also habe ich sie gefragt, ob sie bei mir ausstellen will. Daraufhin meinte sie, ich wüsste ja gar nicht, was sie machen würde, aber ich habe gesagt, dass das egal ist, denn wer so ein Tattoo hat, kann gar keine schlechten Sachen machen.“

Vor den Toren der Kunst-Werke in der Auguststraße hängt der markige und uneindeutige Spruch Walter Benjamins: „Man kann erklären: Ein Werk, das die richtige Tendenz aufweist, braucht keine weitere Qualität aufweisen. Man kann auch dekretieren: Ein Werk, das die richtige Tendenz aufweist, muss notwenig jede sonstige Qualität aufweisen.“

Haltung zum einzigen Kriterium einer monarchischen Künstlerauswahl zu machen, birgt natürlich Gefahren. So gibt es bei allem Anspruch auf Formatvielfalt in der Ausstellung weder eine Video- noch eine Fotoarbeit. Das Konzept scheint manchmal nicht ganz sattelfest und die Tendenzen recht hemdsärmelig – dafür herrscht nicht nur ein Hauch von diktatorischer Anarchie, sondern vor allem auch Leben, Bewegung, Gewusel. Gerade dadurch, dass Menschen mit Kunst in Verbindung gebracht werden, die vielleicht gar nicht damit gerechnet haben, weil die nur auf eine Party gehen wollten.

Yaneq bringt mit seinem Konzept auf den Punkt, was in der allwochenendlichen Vernissage und Ausgehszene, die längst eins geworden ist, niemand so recht aussprechen mag: Denn in einer ins Maßlose gewachsenen Galerientristesse geht es dem Hauptteil des Publikums im seltensten Fall um die Kunst, sondern um den Bierpreis und die Frage, wer denn eigentlich auflegt. Bei den augenzwinkernden Dogmen und der konsequent großen Hiphop-Schnute von Party Arty wird aus einer halben Wahrheit plötzlich eine ganze.

TIMO FELDHAUS

Heute, 20 Uhr: party arty Quartetty in der Galerie Tristesse deluxe, Karl-Marx-Allee 137. Ein Streichquartett spielt unter Anleitung von Nackt Lieder mit Chérie von Warren Suicide, Band Deutscher Mädels, Thom, Olli Schulz, Yaneq u. a. Ausstellung dort, Mi–Fr 12–20 Uhr, Sa + So 14–20 Uhr, bis 28. Februar