DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Die Erotik des Maibaums

WAS SAGT UNS DAS? Die US-Frauenzeitschrift „Cosmopolitan“ gibt jetzt auch Sextipps an „Ladys, die Ladys lieben“

Es gibt ja Formen der Gleichstellung mit dem heteronormativen Mainstream, auf die ich gut verzichten kann: die Homoehe zum Beispiel. Mehr Geld und Rechte als Belohnung dafür, dass man seine Beziehung beim Staat anmeldet, der Rest hat Pech gehabt. Hab ich noch nie verstanden. Beim Sex ist das was anderes. Ich wollte schon immer genauso viele ungefragte, schlechte Sextipps von Lifestyle-Magazinen bekommen wie alle anderen auch. Gut, dass die Cosmopolitan jetzt auch online ihre Sextipp-Spalte allen „Ladys, die Ladys lieben“, widmet. Nach 50 Jahren Heterosex Vorschläge für komplizierte Stellungen endlich auch für Lesben! „Lady“ dürfen mich eigentlich nur süße Queens in Atlanta nennen, aber die Tipps sind ja auch noch für andere da: „Bisexuelle, Pansexuelle und Queers“. Cosmo, du machst mich ganz fusselig.

Gleich 28 „umwerfende Sexstellungen“ werden vorgestellt, samt Schwierigkeitsstufen und den obligatorischen Nippel-zensierenden Illustrationen von Normkörpern im Manga-Stil. Dazu ansprechende Titel wie „Sexy Spinne“, „Brustvergrößerung„ und „kitschige Reifenschaukel“. Unter Heteros gilt das Genre ja auch eher als erheiternd. Im Internet sind sich die Menschen trotzdem nicht einig, was sie davon halten soll. „Mutig und wunderbar“, jubelt die Huffington Post, „Inklusion garantiert noch keine guten Sextipps“, schreibt Jezebel.

Doch niemand hat so schnell reagiert wie Samantha Allen für Daily Beast. Sie hat alles gleich ausprobiert, samt Stuhlkonstruktionen und akrobatischem Elan. Das Testergebnis: Die Stellungen sind in der Tat so „umwerfend“ wie angekündigt. Wer beim „Erotischen Maibaum“ nicht umfallen will, muss sich aneinanderklammern und hat keine Hände mehr frei für andere Dinge. Dass die Stellungen mit dem Hetero-Porno-Roman „Fifty Shades of Grey“ verglichen werden, ist für Allen auch ein Zeichen dafür, dass die Cosmo doch nicht so gewissenhaft recherchiert hat, wie die Bandbreite der aufgezählten queeren Identitäten es erhoffen ließ. Die Mehrzahl der Positionen konzentriert sich auf Grinden, also der klitoralen Stimulation durch Beckenbewegungen auf dem Körper der Partnerin. Dass das Scissoring, das gegenseitige Aneinanderreiben der Klitoris, dieses Jahr dank des Films „Blau ist eine warme Farbe“ zum Dauerwitz des missverstandenen lesbischen Sex geworden ist, scheint an der „klassischen Schere“ der Cosmo irgendwie vorbeigegangen zu sein.

Wirklich revolutionär wäre das Ganze sowieso nur, wenn es in der Cosmo ab jetzt abwechselnd Stellungstipps für Homos und Heteros gäbe, ganz fair verteilt. Wird aber nicht passieren. Sind ja auch schon alle 28 Stellungen abgedeckt. Oder noch besser: Schwulensex! Heteros dürfen dank der Cosmo endlich auch Analsex haben. Lesben machen so was natürlich nicht. Dafür dürfen Frauen, die mit Frauen schlafen, sich jetzt auch unter Anleitung beim Sex den Hals brechen. NOEMI MOLITOR