Steuern spülen Defizit weg

Die explodierenden Konzerngewinne bringen dem Staat Mehreinnahmen. Für einen Budgetüberschuss müssen aber wohl die Normalverdiener zur Kasse gebeten werden

BERLIN taz ■ Es ist, als hätte der Staat eine Ölquelle angebohrt. Nur dass es statt Erdöl Steuern sind, die ihm entgegensprudeln. Schon in zwei Jahren könnte der Staatshaushalt ausgeglichen sein, prognostiziert Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Der Ökonom ist auch Mitglied des von der Regierung eingesetzten Arbeitskreises Steuerschätzung. Die Bundesregierung geht bislang davon aus, dass sie den Ausgleich erst 2010 schafft.

Dabei hat die Bundesrepublik gerade erst vier Jahre in Folge den EU-Stabilitätspakt verletzt. Dieser begrenzt das erlaubte Haushaltsdefizit auf maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Erst 2006 gelang es, den Fehlbetrag unter die Grenze zu drücken – und zwar gleich auf 1,9 Prozent – und so den von der EU schon angedrohten Strafzahlungen zu entgehen.

Nun soll sich das Defizit, unter dem spätere Generationen angeblich schwer zu leiden haben würden, auf einmal in Luft auflösen. Stattdessen wäre der Haushalt zum ersten Mal seit vier Jahrzehnten im Plus, der staatliche Schuldenberg würde erstmals nicht weiter wachsen.

Dem Streit um den Defizitabbau folgt nun der Streit über die Verwendung der Mittel. Mit dem Überschuss könnten die Schulden abgebaut oder die dringend benötigten Investitionen ins Bildungssystem getätigt werden.

Allein im Januar sind die Steuereinnahmen gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahrs um 12,8 Prozent gestiegen – doppelt so viel wie von den Steuerschätzern erwartet. Vesper rechnet mit Mehreinnahmen in Höhe von acht Milliarden Euro im laufenden Jahr. „Wenn sich die Konjunktur erholt, dann ist mit einer schnellen Konsolidierung der Staatsfinanzen zu rechnen“, erklärt der Wirtschaftsforscher. Um 2,7 Prozent dürfte die Wirtschaft 2006 gewachsen sein. Das heißt mehr Umsatz, höhere Unternehmenserträge und mehr Arbeit – und auf all das fallen auch mehr Steuern an, während der Staat zugleich weniger Sozialleistungen auszahlen muss.

Wie aber können nicht mal drei Prozent Wirtschaftswachstum ein Anschwellen der Steuereinnahmen um beinahe 13 Prozent im Januar beziehungsweise um etwa 8 Prozent im vergangenen Jahr bewirken? Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent reicht als Begründung jedenfalls nicht, denn die Steuerquelle begann schon im letzten Jahr zu sprudeln.

Interessanter ist der Blick auf die Körperschaftssteuern. Hier ergab sich in den ersten neun Monaten 2006 ein Zuwachs von 5,5 Milliarden Euro oder 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dies spiegelt vor allem die explodierenden Konzerngewinne wider. Weil dadurch auch Aktienbesitzer höhere Dividenden bekommen, fallen auch mehr Kapitalertragssteuern an. Hinzu kommt, dass der Staat ein paar der größten Steuerschlupflöcher geschlossen hat. „Jahrelang war die Unternehmenssteuerbelastung in Deutschland abenteuerlich niedrig“, sagt der Wiesbadener Steuerexperte Lorenz Jarass. „Jetzt normalisiert sich das langsam etwas.“ Bei der Lohnsteuer dagegen betrug die Steigerung nur 2,4 Prozent. Die Löhne stagnierten, und neue Jobs wurden vor allem im Minijob- oder Ein-Euro-Bereich geschaffen.

Allerdings dürfte das Wirtschaftswachstum langsam abflauen. Auf 1,7 Prozent lautet die Regierungsprognose für 2007, und danach dürfte eine weltwirtschaftliche Abkühlung auch Deutschland mit hinunterziehen. Trotzdem hält auch Jarass es für machbar, bis 2009 einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen. „Dafür werden die normal verdienenden Arbeitnehmer zur Kasse gebeten“ – durch die Mehrwertsteuererhöhung, die weitgehende Abschaffung der Pendlerpauschale und die Eindampfung des Sparerfreibetrags. NICOLA LIEBERT