SIEMENS ZEIGT: BESTECHUNG WIRD NACH WIE VOR ALS NORMAL EMPFUNDEN
: Orden für die Informanten

Seltsame Tätigkeiten scheinen zu den Aufgaben der Mitarbeiter so manchen Konzerns zu gehören: die Kundschaft beatmen, die Landschaft düngen. „Nützliche Aufwendungen“ heißen die entsprechenden Investionen im Jargon. Zu Deutsch: wer am meisten schmiert, sticht die Konkurrenz aus. Alles andere wäre für ein im globalen Wettbewerb stehendes Unternehmen doch tödlich, oder?

Rührend wirkt es da, dass Siemens 2001 auf Druck der New Yorker Börse eine Leitlinie verabschiedete, die Mitarbeiter möchten sich doch bitte an die Gesetze halten. War es also vorher okay, bei Bedarf Antikorruptionsgesetze zu ignorieren? Der deutsche Gesetzgeber fand Bestechung lange Zeit deutschen Geschäftsinteressen dienlich. Bis 1998 durften Firmen im Ausland gezahlte Schmiergelder als normale Kosten von der Steuer absetzen.

Wie schmierig diese Praxis ist, wird jedoch schon daran deutlich, dass das gleiche Verhalten im Inland stets strafbar war. Warum? Weil Korruption die Kosten hochtreibt – zu Lasten der öffentlichen Hand oder der Verbraucher – und oft genug zur Umsetzung unnötiger Projekte führt. Nach außen würde jedes deutsche Unternehmen dies unterschreiben. Aber in den Hinterzimmern geht es offenbar anders zu: Wer am rücksichtslosesten vorgeht, bekommt den großen Preis.

Wollen sich die Mitarbeiter im Unternehmen behaupten und die vorgegebenen Umsatzziele erfüllen, spielen sie tunlichst dabei mit. Sie sind sogar bereit, sich strafbar zu machen, obwohl sie sich dabei nicht einmal selbst bereichern. Sie verteidigen nur ihren Job und womöglich die Existenz ihrer Abteilung. Dagegen mit schön formulierten Verhaltenskodizes vorzugehen, kommt dem Versuch gleich, ein Atomwaffenarsenal durch den Verweis auf die Zehn Gebote abzurüsten. Vielmehr gilt es, eine Unternehmenskultur umzukrempeln, die Mitarbeiter zu willigen Erfüllungsgehilfen illegaler Geschäfte macht. Und wenn ein Mitarbeiter das Management oder die Staatsanwälte auf solche Geschäfte aufmerksam macht, dann sollte er nicht einen Maulkorb oder gleich die Kündigung bekommen. Sondern einen Orden. NICOLA LIEBERT