Alle unterstützen den Sieger

Dorothee Stapelfeldt und Mathias Petersen starten in Altona in die SPD-interne Qualifikationsrunde um die Spitzenkandidatur im Bürgerschaftswahlkampf gegen CDU-Titelverteidiger Ole von Beust

Von Sven-Michael Veit

Wenn „Klarheit geschaffen“ wurde, sagt die Kandidatin, „dann müssen wir die Gräben wieder zuschütten und Brücken bauen“. Wenn „die richtige Wahl“ getroffen wurde, sagt der Kandidat, „kämpfen wir geschlossen und gemeinsam gegen die CDU“. Nach dem Mitgliederentscheid am 25. Februar „unterstützen wir alle den Sieger“, assistiert aus dem Publikum der frühere Parteichef Olaf Scholz. Sozialdemokraten, so will es scheinen, haben eine sehr spezielle Streitkultur.

Dorothee Stapelfeldt und Mathias Petersen stehen am Donnerstagabend im Altonaer Rathaus der Basis Rede und Antwort, und nach zwei Stunden endet das Hearing – mit gefühlten Vorteilen für Petersen. Kämpferisch, präsent und präzise wirkt der Vorsitzende der Hamburger SPD beim ersten Duell um die Spitzenkandidatur im anstehenden Bürgerschaftswahlkampf. Sachlicher, aber auch gehemmt und monoton präsentiert sich seine Stellvertreterin und Herausforderin.

Ihre Bewerbungsrede liest Stapelfeldt vom Blatt ab, fast reglos, in staatstragender Tonart bar dynamischer Elemente. Petersen spricht weitgehend frei, nur selten wirft er einen Blick auf seine Notizen, schaut unablässig in den mit mehr als 250 GenossInnen prall gefüllten Saal und bekräftigt seine Worte mit Gesten. Achtmal erhält er kurzen Zwischenapplaus, Stapelfeldt nicht einmal.

Sie stehe „für Seriosität und Berechenbarkeit“, sagt die 50-jährige Kunsthistorikerin, für „verlässliches Handeln“, nicht aber „für populistische Schnellschüsse“. Eine deutliche Attacke gegen Petersen, der vor vier Monaten mit seiner Forderung, Sexualstraftäter im Internet an den Pranger zu stellen, große Teile der Partei gegen sich aufbrachte. Ende Januar schließlich sprach der Landesvorstand ihm mit klarer Mehrheit das Misstrauen aus und zwang ihn, der seit seiner Wiederwahl zum Parteichef im Mai vergangenen Jahres als designierter Spitzenkandidat galt, in den Wettbewerb mit der Genossin Stapelfeldt.

Das sei „ein Fehler“ gewesen, räumt der 51-jährige Arzt ein, da sei er „übers Ziel hinausgeschossen, den Opferschutz zu stärken“. Er habe verstanden, beteuert er nun, „selbst ich bin lernfähig“. Und pariert Stapelfeldts Spitze mit dem Satz: „Schlecht reden können wir über den CDU-Senat, nicht über uns.“

Erst langsam taut Stapelfeldt auf. Frischer und lebendiger wirkt sie in der anschließenden Diskussionsrunde, als es gilt, frei auf Statements und Fragen aus dem Publikum zu antworten. Derer gibt es reichlich, inhaltliche Differenzen zwischen den beiden, die ihrer Partei wieder zur Regierungsmacht im Stadtstaat verhelfen wollen, müssen jedoch mit der Lupe gesucht werden. Kein Wunder: In den Grundzügen steht das SPD-Programm für die Wahl, und als Parteichef und Parteivize wirken beide daran mit.

Die soziale Spaltung der Stadt wollen sie beenden, wenn sie erst mal auf dem Sessel des Ersten Bürgermeisters sitzen und mehr für Bildung, Familien, Arbeitsplätze und Klimaschutz tun, mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) nicht verkaufen. Petersen ist für eine Ausbildungsplatzabgabe von Betrieben, die keine Lehrstellen anbieten, Stapelfeldt nicht; sie ist „ganz klar“ für die Elbphilharmonie, er will sie vorwiegend durch Spenden finanzieren.

Der CDU-Senat wolle, lautet Petersens prägnantester Satz an diesem Abend, „die Elbphilharmonie verstaatlichen und die HHLA privatisieren – ich finde, das sollten wir umgekehrt machen“. Stapelfeldt verspricht mit Blick auf Bürgermeister Ole von Beust das „Ende der sonnengebräunten Gute-Laune-Politik aus schönen Empfängen und falschen Entscheidungen“.

In acht Tagen wird die SPD entscheiden, wer von beiden gegen den christdemokratischen Titelverteidiger antreten soll. Sechs Hearings in den Parteikreisen müssen sie noch durchstehen, gestern Abend in Bergedorf, heute in Wandsbek, kommenden Freitag endet der interne Vorwahlkampf in Harburg. Nächsten Sonntagabend wird das Resultat des Mitgliedervotums vorliegen, zwei Tage später wird ein Parteitag das Ergebnis offiziell abnicken.

Und dann wollen Hamburgs SozialdemokratInnen die eilig zu zimmernden Brücken über vermeintlich zugeschütteten Gräben überschreiten. Und gegen Ole von Beust marschieren. Geschlossen und gemeinsam.