Fragile Waffenruhe im Gaza-Streifen

Die israelische Regierung und der Palästinenserpräsident vereinbaren einen Truppenabzug und ein Ende der Raketenangriffe. Dennoch werden weiter Kassams abgefeuert. Israel will erst einmal abwarten. Hamas-Chef Maschal droht mit neuer Intifada

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Gestern um 6 Uhr früh ist eine zwischen Israels Premierminister Ehud Olmert und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vereinbarte Waffenruhe für den Gaza-Streifen in Kraft getreten. Doch bereits am Vormittag flogen mindestens fünf palästinensische Kassam-Raketen auf die israelische Stadt Sderot, allerdings ohne Schaden anzurichten. Die Regierung in Jerusalem zog die Truppen aus dem Gaza-Streifen ab und will abwarten, ob die Waffenruhe Bestand hat.

„Der Staat Israel ist sehr stark“, kommentierte Olmert die während eines Telefonats mit Abbas am Wochenende vereinbarte Waffenruhe. „Stark genug, um gegen Terror zu kämpfen, aber auch stark genug, um stillzuhalten und abzuwarten.“ Erst in der vergangenen Woche hatte Israel ein Waffenstillstandsangebot der palästinensischen Hamas-Regierung abgelehnt.

Die Waffenruhe, die eine Einstellung des palästinensischen Raketenbeschusses beinhaltet und nicht nur wie bisher der Selbstmordattentate in Israel, wurde mit der Zustimmung des in Damaskus ansässigen Chefs des Hamas-Politbüros, Chaled Maschal, vereinbart. Allerdings warnte Maschal, dass es eine „dritte Intifada“ geben werde, sollte nicht „innerhalb von sechs Monaten ein realer politischer Horizont“ für die Palästinenser geschaffen werden. Maschal, der sich am Wochenende in Kairo aufhielt, sprach von der Errichtung eines „Palästinenserstaates in den Grenzen von 1967“.

Olmert zeigte sich gestern optimistisch, dass die Waffenruhe, die indes „keine Antwort für alle offenen Themen zwischen Israel und den Palästinensern bietet“, zu einer baldigen Beendigung der Affäre um den Ende Juni entführten Soldaten Gilad Schalit führen wird. Abbas erteilte den Chefs der palästinensischen Sicherheitsdienste die Order, dafür zu sorgen, dass die Waffenruhe eingehalten wird. Alle militanten Fraktionen hätten sich zu der Einstellung der Angriffe bereit erklärt.

Der ehemalige palästinensische Nationale Sicherheitsberater, Dschibril Radschub, räumte ein, dass es „vereinzelte Gruppen gibt, die die Waffenruhe verletzen werden“. Die palästinensische Regierung beeilte sich, den Beschuss von Kassam-Raketen nach Inkrafttreten der Waffenruhe zu verurteilen. Die Verantwortung für den Angriff übernahmen Aktivisten des Islamischen Dschihad und der Hamas mit der Begründung, dass die israelischen Militäroperationen im Westjordanland weiter andauern. Am Morgen waren in Hebron zwei Aktivisten der Hamas festgenommen worden.

Olmert stellte eine Ausweitung der Waffenruhe auf die gesamten Palästinensergebiete in Aussicht, um anschließend erneut „ernsthafte, ehrliche und direkte Verhandlungen“ über eine endgültige Regelung aufzunehmen. Effi Eitam, Chef der National-Religiösen-Partei, kritisierte die „leeren Versprechungen“ der Palästinenser und die Naivität des israelischen Regierungschefs, der plötzlich mit Lösungen für alle seine Probleme rechne.

Für den Fall, dass die Waffenruhe nicht eingehalten wird, hält Israel einen „Plan zur Beendigung der Kassam-Bedrohung“ bereit, wie der Minister für Innere Sicherheit, Avi Dichter, erklärte, ohne auf Details einzugehen.