Flirrende Gitarren und endlose Highways

WÜSTENROCK Die Dead Lovers reproduzieren stilsicher und mit Überzeugung die gängigen musikalischen Amerika-Klischees

Logisch ist das jetzt nicht gerade. Dass die größten Spezialisten für Musik aus dem Westen der USA, die zu finden sind in Berlin, das bekanntlich eher im Osten Deutschlands liegt, eine Frau aus dem Süden Bayerns und ein Mann aus dem Norden Englands sind. Claudia Stülpner und Wayne Jackson sind das Zentrum von The Dead Lovers, einer Band, die angeblich „cooler als ein Campingurlaub in Sibirien“ sein soll.

Musikalisch führt diese Eigeneinschätzung allerdings in die völlig falsche Himmelsrichtung. Auf ihrem Debütalbum orientieren sich die Dead Lovers eindeutig nach Westen. „Supernormal Superstar“ spielt so versiert mit Blues, Country, Wüstenrock und allen anderen denkbaren Formen der Americana, als wollte sich Berlin als 51. Bundesstaat der USA bewerben.

Claudia Stülpner, die sich Lula nennt, ist im Hauptberuf Promi-Fotografin und hat bereits mit Lee Hazlewood kurz vor dessen Tod im Duett gesungen. Wayne Jackson hat sich schon früher einmal mit The Dostoyevskys einen gewissen Kultstatus erspielt und zusammen mit Paul van Dyk und dem Track „The Other Side“ im Jahr 2005 einen Hit gelandet.

Sie stammt vom Tegernsee, er aus Manchester. In Berlin haben sich die beiden im Umfeld von Bela B. kennen- und lieben gelernt. Dafür, dass Lula und Jackson den Ärzte-Schlagzeuger bei seinen Solo-Exkursionen unterstützten, revanchiert sich der nun mit einem Gastspiel an den Drums bei „The Storm“. Das klingt, als würden gegen zwölf Uhr mittags entwurzelte Büsche über die einzige Straße eines staubigen Westernstädtchens wehen.

Um „Supernormal Superstar“ aufzunehmen, sind The Dead Lovers nach San Diego gereist. Das dort beheimatete Lost Ark Studio wirbt um Kundschaft ausdrücklich mit seiner großen Sammlung an Vintage-Instrumenten und analogem Equipment aus den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Jackson fühlte sich, erzählte er in einem Interview, bei den Aufnahmen erinnert an ein Museum, in dem Gitarren gesammelt werden. Kein Wunder: Mit den Modellen, die die Dead Lovers benutzten, pflegen auch Jack White oder The Black Keys ihren patentierten Retro-Sound zu erzeugen.

Zeit für einen Ausflug blieb auch. So turnt die Band nun im Videoclip für „Special K“, die erste Single des Albums, durch die kalifornische Wüste und lenkt Automobile über endlose Highways in den Sonnenuntergang. Auch in den Texten des Albums spielt die mythische motorisierte Fortbewegung gern mal eine Rolle, während die Gitarren flirren wie die Hitze über dem Death Valley und über der Musik ein Hall liegt, der die Weite eines ganzen Kontinents umfasst.

Kurzum: Die Band reproduziert nicht nur mit voller Absicht und starker Überzeugung, sondern auch mit großem Können die landläufigen Amerika-Klischees. Mit stilsicherer Hand aber verhindern The Dead Lovers einen Absturz in die Parodie. Von den Machenschaften einer Band wie BossHoss sind Stülpner und Jackson so weit entfernt, wie sie sich nahekommen in ihren wundervollen Duetten. Wenn das mit dem 51. Bundesstaat nicht klappen sollte, könnte Berlin doch immerhin noch ein Vorort von, oder noch besser: gleich die coolere Alternative zu Nashville werden. THOMAS WINKLER

■ The Dead Lovers: „Supernormal Superstar“ (Spy Satellite/Rough Trade). Live am 23. August im Park am Gleisdreieck, am 27. September im Roadrunner’s, Prenzlauer Berg