Realität schlägt Mythos

Borussia Mönchengladbach verliert in Dortmund und nähert sich der zweiten Liga. Vor allem die Fans müssen sich an neue Zeiten gewöhnen. Statt Bayern warten Düsseldorf und Köln auf die Ex-Fohlen

„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagte Sportdirektor Peter Pander

AUS DORTMUNDHOLGER PAULER

Die Anzeigetafel im Dortmunder Westfalenstadion verkündete nach zehn Minuten den Führungstreffer von Alemannia Aachen gegen Bayern München. Reflexartig reckten mehrere Anhänger von Borussia Mönchengladbach ihre Fäuste in die Höhe – aus Gewohnheit. Doch der Jubel blieb den Fans schnell im Halse stecken. Am Samstagabend war die vielbeschworene „Elf vom Niederrhein“ auf den letzten Tabellenplatz abgerutscht. Borussia Mönchengladbach hatte das Spiel bei Borussia Dortmund mit 0:1 verloren. Noch schlimmer: Die geografischen Nachbarn aus Aachen haben durch den Sieg über die Bayern die tabellarische Solidarität vorerst aufgekündigt.

Gegen biedere Dortmunder hatten die Gladbacher Borussen jedenfalls wenig aufzubieten. Auch wenn Trainer Jos Luhukay spätestens nach dem Gegentreffer – Alexander Frei traf in der 19. Minute – ein Aufbäumen seines Teams und den „Versuch nach vorne zu spielen“ erkannt haben wollte, blieb sein Fazit ernüchternd: „Es ist ein bitterer Tag. Alle Mitkonkurrenten im Abstiegskampf haben gepunktet – die meisten sogar gewonnen.“

Vermutlich war es das knappe Ergebnis, das eine ehrliche Spielanalyse verhinderte. „Für eine gute B-Note gibt es keine Punkte“, versuchte Sportdirektor Peter Pander den Gladbacher Auftritt zu beschönigen. Besser war sein abschließendes Statement: „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, jetzt haben wir nur noch Endspiele. Wir brauchen Siege – und zwar zeitnah.“ Noch vor einem Jahr hatte Pander gesagt, dass er den Leuten in Mönchengladbach auf Dauer keinen zehnten Platz als Saisonziel verkaufen könne. Mittlerweile dürfte er zur Einsicht kommen, dass Platz zehn auch toll wäre.

Nun sind deutsche Meisterschaften am Niederrhein Geschichte und auch die Bundesligazugehörigkeit ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Doch, dass selbst schwächelnde Bayern in einer anderen, demnächst wohl auch nominell höheren Liga spielen, sollten die Gladbacher schnell einsehen. Ansonsten wird der Mythos bald von der Realität ein- und überholt. „Ich hoffe, dass wir jetzt nicht auseinander brechen“, sagte Peer Kluge nach dem Spiel mit leiser, brüchiger Stimme. Das passte zur Spielweise und zur Gesamtsituation der Mannschaft. Trotz des bis zum Schluss offenen Spielstandes mochte niemand ernsthaft daran glauben, dass den Gladbachern vielleicht doch noch der Ausgleich oder gar mehr gelingen könnte.

Der ersehnte Aufbruch nach dem Trainerwechsel von Jupp Heynckes zu Luhukay ist jedenfalls bereits Geschichte. Dem Premieren-Auswärtssieg in Bielefeld folgte ein torloses Unentschieden gegen Aachen und nun die Niederlage in Dortmund – allesamt Teams, die sich derzeit nicht unbedingt auf dem Höhepunkt ihres sportlichen Leistungsvermögens befinden.

Am kommenden Wochenende empfangen die Gladbacher die momentan zwar auch nicht gerade stabile, aber dennoch wesentlich höher einzuschätzende Mannschaft von Werder Bremen. „Gegen Werder erwartet niemand etwas von uns“, sagte Angreifer Michael Delura nach dem Spiel, „warum sollen wir nicht gerade da etwas holen?“ Folgende Fakten sprechen dagegen: Mönchengladbach ist innerhalb der vergangenen 17 Spieltage vom ersten auf den letzten Tabellenplatz abgestürzt, ist seit sieben Heimspielen ohne Sieg und hat in der gesamten Saison erst 16 Tore erzielt. Schlimmer war es nie in 40 Jahren Bundesliga. Der zweite Abstieg nach 1999 droht. Und mit ihm rheinische Derbys gegen den 1. FC Köln und Fortuna Düsseldorf – die Spiele gab es übrigens auch mal in der ersten Fußball-Bundesliga.