Auf irritierende Weise still

Neue Kuratorin, neues Konzept, alter Etat: Im Künstlerhaus Bremen nutzt Stefanie Böttcher ihre erste Ausstellung zur Positionsbestimmung. Die Arbeiten der Künstlerin Kathrin Horsch zeugen von innerer Ruhe und hintersinnigem Humor

Das Künstlerhaus Bremen darf man ungestraft eine ärmliche Institution nennen. Ja, man muss es sogar: 20.000 Euro Jahresetat und eine Ausstellungsfläche von 160 Quadratmetern, das sind die Voraussetzungen, auf die sich die neue Kuratorin Stefanie Böttcher eingelassen hat. Hinzu kommt eine Hypothek, die für geraume Zeit auf ihrer Arbeit lasten wird: Der Erfolg ihrer Vorgängerin Susanne Pfeffer, deren Mitarbeiterin sie war.

Pfeffer nämlich hatte die Bremische Hinterhofgalerie binnen zweier Jahre in die Wahrnehmung der Großfeuilletons katapultiert – und sich selbst damit auf den Chefposten eines der wichtigen deutschen Häuser für Gegenwartskunst, die Kunstwerke Berlin: Jonathan Monk, Matthias Weischer, Kenneth Anger, das sind Namen die in der Kunstwelt enormen Klang haben, und trotzdem – Pfeffer hatte sie alle in die kleine Butze am toten Weserarm gelockt, für ihre jeweils ersten Einzelausstellungen.

Böttcher wird daran gemessen werden. Sie wird daran anknüpfen wollen und sich zugleich abheben müssen – aber wie? „Ich werde“, sagt sie, „nicht einen Shooting-Star nach dem anderen hierher holen“. Stattdessen setze sie „auf die Position“: Neu müsse die sein, unverbraucht, frisch – kurz, „etwas, von dem ich überrascht werde“. Seit Samstag ist das anhand von Böttchers erster Ausstellung am neuen Ort zu überprüfen: „kurz bevor die Ferientage ihrem Ende entgegengehen“, so der Titel.

Die Schau besteht aus vier Arbeiten der Hamburger Künstlerin Kathrin Horsch, zwei Videos, eine Holztafel-Installation sowie eine Diaprojektion mit Ton, hintersinnig und auf irritierende Weise still. Ja, das gänzliche Fehlen von Aplomb geht sogar so weit, dass selbst in dem wahrlich nicht großen Showroom die Werke ein Gefühl der Leere erzeugen, ein zweideutiges: Schön, wie zurückgenommen das ist. Aber hätte es vielleicht nicht doch noch ein bisschen mehr sein können?

Banalität, ein großes Thema, scheint das zu sein, was Horsch aufsucht und, mit den Mitteln der Kunst, analysiert: Da ist das Video-Loop des Drehorgelmanns, sein Leierkasten ist nicht zu sehen, nur die Kurbel, die immer wieder ins Bild schwingt, von seinem rechten Arm gedreht, die linke Hand, die auf dem fragwürdigen Instrument ruht oder eine Zigarette zum Mund führt: Erwartungsvoll schaut der Mann in die Kamera, manchmal wirkt er auch ein wenig müde, um die Augen, sein Oberkörper schwingt im Takt mit, verhalten. Schön. Und jetzt? Nichts und jetzt. Das ist es schon! Nicht unwitzig.

Komischen Wert haben auch die „Urlaubsgrüße“: Vier Postkarten, bis auf ein kleines Quadrat grau überlackiert – blauer Himmel oder grünlicher See – und der per Schreibmaschine transkribierte Text, unterzeichnet stets von Dieter. Und den anderen Mitreisenden: Im Laufe von zehn Jahren ist da eine Kleinfamilie entstanden. Der Text aber hat sich kaum verändert. Die Variablen sind Wetter und Ort, der Einstieg aber bleibt Buchstabe für Buchstabe konstant: „Kurz bevor die Ferientage ihrem Ende entgegen gehen“, lautet er, „schreibe ich Euch noch diese Karte.“

„Ich finde“, sagt Böttcher, „schon diesen Ansatz schön: Sich so ganz auf das Zusammenspiel von Ort und Zeit einzulassen“, sich ganz darauf zu konzentrieren „ohne dem Betrachter etwas zum Sofort-Einhaken zu bieten“. Mindestens ist es eine Position, die, kaum schrill genug, um sich auf dem harten Kunstmarkt durchzusetzen, es doch verdient hat, wahrgenommen zu werden. Es kann durchaus die Funktion einer Künstlerhaus-Galerie sein, genau so etwas ins rechte Licht zu rücken. Eine verdienstvolle Rolle wäre das, keine Frage. Sie einzunehmen heißt aber zugleich, sich von der breiten öffentlichen Wirkung, von überregionaler Wahrnehmung zu verabschieden.

Benno Schirrmeister

Kathrin Horsch, „Kurz bevor die Ferientage ihrem Ende entgegen gehen“, Künstlerhaus Bremen, Mi.-So., 14-19 Uhr. Bis 22. April