Jingle Bells im Sonnenschein

Seit gestern haben alle großen Weihnachtsmärkte der Stadt geöffnet. Nur ist die Stimmung alles andere als winterlich. Dafür hoffen die Händler, vom neuen Ladenschlussgesetz zu profitieren

von CLAUDIUS PRÖSSER

Vor der Palastruine schwitzen Weihnachtsmänner unter falschen Bärten. Der Boden vor dem Tombola-Truck ist noch nicht von Nieten bedeckt, das Riesenrad dreht sich leer und sonnenbeschienen. Kurz nach der Eröffnung des Weihnachtsmarkts auf dem Schlossplatz ist von winterlicher Stimmung herzlich wenig zu spüren.

Gestern fiel der Startschuss für die meisten der fast 60 Weihnachtsmärkte in der Stadt. Auch die Big Five – neben dem Schlossplatz-Rummel die Märkte am Opernpalais, auf dem Breitscheidplatz und in Spandau sowie der edle „WeihnachtsZauber“ auf dem Gendarmenmarkt – hatten mit dem Saisonauftakt bis zur Woche nach Totensonntag gewartet. Auf Wunsch der Kirchen und als eine Art Stillhalteabkommen: Keiner soll dem anderen das Wasser abgraben.

Solange der Herbst Spätsommer spielt, stellt sich aber ohnehin noch nicht das passende Jahresendgefühl ein. Ausnahmen eingerechnet: „Sie werden es nicht glauben“, sagt Carmen Kupschus, „aber ich habe schon einen Schal verkauft. Mit Angora!“ Kupschus bietet Wollmützen, Hüte und andere Kälteaccessoires beim „WeihnachtsZauber“ auf dem Gendarmenmarkt feil. Die Zeltstadt vor dem Schauspielhaus zielt auf ein zahlungskräftiges Publikum. Schon um die Mittagszeit trifft sich hier das Bürovolk, um Merguez-Würstchen, Puffer mit Grünkohl, vielleicht aber auch ein paar Austern zu verspeisen.

Mit dem warmen Wetter hat „WeihnachtsZauber“-Sprecherin Kristin Reisch kein Problem. „Für die Eröffnung war das wunderbar“, sagt sie, „und Glühwein verkauft sich auch noch bei 10 Grad.“ Knapp eine halbe Million Besucher erwartet Reisch in diesem Jahr. Übrigens ist hier nach den Feiertagen nicht alles vorbei: Der „Zauber“ endet nach der Silvestergala, am 1. Januar um 1 Uhr.

Christian Wagner, Sprecher des Berliner Schaustellerverbands, der den Markt an der Gedächtniskirche veranstaltet, erkennt in den Temperaturen ebenfalls keinen Grund zur Sorge: „Hauptsache, das Wetter ist gut, dann gehen die Leute gerne über den Markt.“ Er rechnet mit 2,5 Millionen Besuchern auf dem Breitscheidplatz. Nachdem der Straßentunnel verschwunden ist, gibt es mehr Platz – „aber nur für unsere Gäste“. Die Zahl der Stände bleibt mit 170 konstant.

Auch auf dem Breitscheidplatz bleiben die Buden diesmal bis Neujahr geöffnet. Damit kompensiert der Verband den Umsatzausfall, der dadurch entsteht, dass Heiligabend auf den vierten Advent fällt. „Da fehlt uns sonst eine ganze Woche“, sagt Wagner. Wäre es nach dem Pfarrer der Gedächtniskirche gegangen, wären Weihnachtsbaum und Markt sogar bis zum Dreikönigstag stehen geblieben.

Aber droht den Märkten durch die ausgeweiteten Ladenöffnungszeiten nicht neue Konkurrenz? Gerhard Buchholz von der Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) kann das nicht erkennen. „Die Angebote befruchten sich gegenseitig“, glaubt Buchholz. Wer zum Shopping auf ein Wochenende nach Berlin komme, könne jetzt „entspannt über den Weihnachtsmarkt schlendern und am Sonntag trotzdem noch andere Einkäufe erledigen.“