Ein Örtchen für Frauen in Erbil

In der kurdischen Regionalhauptstadt im Nordirak gibt es die erste öffentliche Damentoilette. Die Initiatorin hat noch mehr Pläne für die Erleichterung des Alltags

ERBIL taz ■ Irritiert schauen die Männer auf der Straße zu, was sich da gerade vor ihnen abspielt. Vor einem kleinen Häuschen mitten im Bazar-Viertel der nordirakischen Stadt Erbil hat sich hohe lokale Politikprominenz zu einer feierlichen Einweihungszeremonie versammelt: der Chef der Stadtverwaltung, der Leiter der Baubehörde und sogar der stellvertretende Provinzgouverneur. Nur das lokale Fernsehen fehlt noch. Das sollte über dieses bedeutende Ereignis aber schon berichten, finden die Politiker. Also werden schnell ein paar Anrufe getätigt und nach zwanzig Minuten ist es so weit: Mit würdevoller Miene schneidet Vizegouverneur Taha Abdulla Osman die bunten Bänder vor dem Eingang durch, aus der umstehenden Runde gibt es höflichen Beifall. Taman Shakir, Sozialarbeiterin und Journalistin, hat es geschafft – in Erbil gibt es die erste öffentliche Damentoilette.

„Nach 2006 Jahren sind auch wir endlich so weit“, sagt Shakir und lächelt verschmitzt. Gut Ding brauche eben Weile. Vor zwei Jahren hat Shakir das Vorhaben auf den Weg gebracht, und angesichts des großen Zuspruchs, den sie dafür sogar von Männern erntet, wundert man sich, dass nicht schon jemand früher auf die Idee kam. Männer haben es zumindest in diesem Punkt im Irak wie im gesamten Nahen Osten einfach – sie können jederzeit in die nächste Moschee, wenn sie ein Bedürfnis überkommt. Frauen hingegen sind auf ihren Erfindungsreichtum angewiesen. Denn selbst in Restaurants mit einem so genannten Familienabteil, die in einfachen Lokalen eher einem schäbigen Verschlag gleichen, sind Damentoiletten keine Selbstverständlichkeit. In der Not behelfen sich Frauen häufig mit dem Aufsuchen einer Arztpraxis, vor allem, wenn sie ihre Kinder dabei haben. Oft genug habe sie einen Bazar-Besuch jedoch mittendrin abbrechen müssen, um mit einem Taxi so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, sagt Nurhan Asker. Gemeinsam mit ein paar anderen Frauen inspiziert die dreifache Mutter das Damenklo, das sogar einen Warmwasserboiler und eine Klimaanlage hat. „Super“, sagen sie unisono.

Taman Shakir hat derweil schon die nächsten Pläne. Geht es nach ihr, wird es in der kurdischen Regionalhauptstadt mit ihren 800.000 Einwohnern bald noch mehr öffentliche Bedürfnisanstalten für Frauen geben. Auch die Kreisstädte stehen auf ihrer Liste. Das ist freilich nicht die einzige Idee, mit der die rührige Journalistin den Frauen den Alltag erleichtern will. Derzeit verhandelt sie mit den Behörden über die Einführung von Frauentaxen. Aus Furcht um die Sicherheit und das Ansehen der Familie müssen Frauen bisher nach Einbruch der Dunkelheit zu Hause sein. „Damit ist dann Schluss“, sagt Shakir. Vizegouverneur Osman verspricht ihr für beide Vorhaben seine volle Unterstützung.

„Das ist ein guter Tag für uns Frauen“, sagt Shakir anschließend. Dabei lächelt sie wieder ganz verschmitzt, aber sie meint es keineswegs ironisch. „Viele meiner Ideen stammen aus Europa, das gefällt hier nicht jedem.“ Dreizehn Jahre hat die 43-Jährige in Deutschland gelebt. Ein Stück der Freiheit und der Menschenrechte, die sie dort erlebt habe, möchte sie auch in Kurdistan durchsetzen. Nicht immer erfährt sie dabei so viel Zuspruch wie bei der Damentoilette. Als sie kürzlich in einem ihrer Artikel die Ermordung eines Mannes geißelte, der der Sodomie verdächtigt wurde, erhielt sie sogar Morddrohungen. Seitdem geht sie nicht mehr alleine auf die Straße. Davon will sie sich aber die Freude an diesem Tag nicht verderben lassen. Man brauche eben viel Geduld in diesem Land, sagt sie. Wieder lächelt sie. Dann eilt sie davon, auf einer kleinen Frauenkonferenz will sie gleich das Projekt mit den Frauentaxis vorstellen. INGA ROGG