Angstmusik für die FDP

Braucht noch irgendjemand Punkrock? Die Antwort ist: natürlich nicht. Aber es braucht ja auch niemand Fußball, Gummibärchen oder die FDP. Trotzdem schön, sie zu haben. Okay, abgesehen von der FDP. Jedenfalls schön, Punkrock zu haben, schon weil er für all das steht, für was die FDP nicht steht. Daran schließt sich eine weitere Frage an: Wer spielt noch Punkrock?

Einhelliges Verdikt im vergangenen Jahr: Mit Chuckamuck kann man noch einmal die wenigen verbliebenen FDP-Wähler erschrecken. Das 2006 als Schulband gegründete Quartett demonstrierte auf seinem Album „Jiles“ solch räudige Großkotzigkeit, großartigen Dilettantismus und unverhohlene Energie, dass man zwar nicht verstand, was Oska Wald da sang, aber genau spürte, dass es wichtig, aufrührerisch oder zumindest saukomisch sein muss. Chuckamuck zeigt jedem, dass Punk gar nichts zu tun hat mit dem ewig alten Schrammelzeugs auf der einen Seite und der durchkommerzialisierten Pseudorevolte von Green Day auf der anderen.

Jetzt legen sie mit einer EP nach. Die sechs Songs von „Im Knast“ beweisen, dass sie ihre unbändige Kraft behalten haben, aber bessere Musiker geworden sind. Selbst bei chaotischen, wie hingerotzten Stücken wie „Knast“ ist jeder Ton wohlplatziert, und „Mach die Augen auf“ besitzt sogar einen echt flotten Groove. Verstehen kann man den Gesang immer noch nicht, weiß aber sofort, was gesagt werden soll: Es geht um Hartkäse und Ketamin, leere Kühlschränke und verpasste Duschbäder – die entscheidenden Dinge im Leben also. Ansonsten erfindet Wald so schöne Komposita wie „Bowlingkugelkegeln“ und reimt „Zahnarzt in Marzahn“ auf „Tiergarten wie Tarzan“. Allein, dass das nicht nur wie große Kunst wirkt, sondern tatsächlich große Kunst ist, muss der FDP verdammt viel Angst machen.

Und braucht eigentlich noch irgendjemand Surf Instrumentals? Die allgemeine Antwort: siehe oben. Die speziellere Antwort: solange noch Bands wie The Kilaueas Platten aufnehmen wie „Wiki Waki Woooo“: Ja. Technisch extrem versiert, mit dem nötigen Druck, dem einschlägigen jammerigen Aloha-He-Gitarrensound, ein paar Ausflügen ins Osteuropäische und viel Liebe zum allerkleinsten historischen Klangdetail rekonstruieren Ralf Kilauea (Gitarre), Tom Kilauea (ebenfalls Gitarre) und Jacque Kilauea (Bass) einen gelungenen Abend mit Toast Hawaii und Büchsenbier. Und die FDP bekommt die Reste von Ricky King! THOMAS WINKLER

■ Chuckamuck: „Im Knast“ (Staatsakt/RTD)

■ The Kilaueas: „Wiki Waki Woooo“ (Allscore/Indigo)