schaut sich in den Galerien von Berlin um

NOEMI MOLITOR

Ein guter Tag für Kurzentschlossene, die sich dafür interessieren, was in Künstler_innen eigentlich so vorgeht, während sie arbeiten. Nasan Tur spricht heute Abend über seine gesprühte Wandarbeit „Berlin says“, Teil der von Gabriele Knappstein kuratierten „Wall Works“-Ausstellung im Hamburger Bahnhof. Dabei geht es um Turs Arbeitsweise: Er hat Sätze von Berliner Hauswänden abgeschrieben und so lange übereinander auf die Wand gesprüht, bis sie nicht mehr zu erkennen sind. Knappstein ging es mit der Ausstellung um eine Gegenüberstellung von wiederholbaren und raumspezifischen Wandarbeiten, die nur temporär sichtbar sind. Turs Sätze sind zwar beliebig oft sprühbar, waren jedoch nur für Sekunden live lesbar. Statt wie im Stadtraum mit Wandfarbe kaschiert, überschreiben sie sich hier gegenseitig selbst. Auf seiner Website kann man die Einzelteile dieser Komposition wieder entziffern: „Die Erde ist ein Lebewesen und innen hohl“ – „Knäste zu Baulücken“ – „Deutsche raus aus Berlin ihr macht nur erger“ – „Kein Cent mehr für die Miete!“ – „Ich will das Leben lieben“. So dicht philosophiert, politisiert und melancholisiert Berlin. Tur hat sich die Mühe gemacht, zuzuhören, hören wir ihm also auch zu: Es gibt sicher eine Menge bedeutungsvoller Wortzfetzen zum Mitschreiben (18 Uhr, Invalidenstraße 50–51; www.nasantur.com).

 Bevor die „What is Queer Today is not Queer Tomorrow“-Ausstellung in der NGbK diese Woche zu Ende geht, gibt es ebenfalls heute Abend eine letzte Runde von Vorträgen und Performances. Es geht um Daten und Technologie: Shaka McGlotten stellt das Projekt „Black Data“ vor, das ästhetische Praxen aus Perspektive der Black Queer Studies betrachtet und akademische mit kuratorischer Arbeit verbindet. Der Fokus liegt heute auf dem Datensammlungswahn von Staat und Wirtschaft. Kaciano Gadelha untersucht unter dem Titel „Tracking desire“, wie sich das schwule Begehren immer mehr in digitalen Daten und Kartografien aufzulösen scheint (Stichwort „Hook-up“-Apps) und wie dadurch die Grenzen zwischen Mensch und Technologie zunehmend verwischen. Nach den Vorträgen eine Performance von Solange, tô aberta (19 und 20 Uhr, Oranienstr. 25). Gerüchten zufolge wird sich die Finissage am Sonntag außerdem in eine riesige Poolparty verwandeln. Also vorsorglich Badesachen drunterziehen und hoffen. Wenn es so brechend voll wird wie bei der Eröffnung, geht es ohnehin nicht ohne Abkühlung. „Going out with a Bang!“, wie man anglofon so schön sagt. Hätten die Künstler_innen und das (heidy) collective auch verdient (10. 8., Zeit tba, Oranienstr. 25).