MUSIK

hört auf den Sound der Stadt

MALTE GÖBEL

Aus gegebenem Anlass sei hier zunächst auf das SO36 verwiesen, wo am 8. August Mary Ocher, Chris Imler, Saalschutz und The Nothings die Festwoche zu 36 Jahren SO36 einläuten – dazu mehr bei der Bewegung (Seite 7). Teil der Geburtstagsfeierlichkeiten ist auch am Samstag das Konzert der Punk-Veteranen Toxoplasma, die gerade mit „Köter“ ihr erstes Album seit 20 Jahren veröffentlicht haben. Musikalisch machen sie genau da weiter, wo sie damals aufgehört hatten: deutscher Parolenpunk gegen Polizei, Staat und Kapital. Die Songs heißen „Plastiktüte“, „CDU“, „Kontrollautomat“ und „Kastrierte Jugend“, sie sind so radikal und plakativ, dass man sich manchmal vor Scham auf dem Boden kringeln möchte, aber hey, so war das halt damals, klare Ansagen zu jaulenden Gitarren: „Die Flagge steckt in Kandahar, dein Kopf im Arsch der USA“, heißt es, oder „Soll euch der Blitz beim Scheißen holen, in memoriam Helmut Kohl – CDU!“ – Pflichttermin für Kreuzberger Alt- und Neupunks! Vorband: Pestpocken (Oranienstraße 190, 9. 8., 20 Uhr).

Etwas ruhiger wird es beim Liedermacher Philipp Poisel, dem Daniel Kehlmann der Popmusik: er wird wegen seines ovalen Babyface gern als vollkommen harmloser Normalo von nebenan unterschätzt, macht dann aber sein Ding mit einer Kunstfertigkeit, die einem Respekt abverlangt. Was bei Kehlmann die schrulligen Formulierungen sind, ist bei Poisel die Stimme: „Wie soll ein Mensch das ertragen?“, klagte der Ludwigsburger in seiner gleichnamigen Hitsingle gleichzeitig gefühlvoll, dramatisch, kräftig und verhuscht, bediente damit alle Klischees über selbstmitleidige Liedermacher. Aber das so ohrwürmig und, nennen wir es mal unverblümt: schön, dass man sich dem nur schwer entziehen kann. Zu erleben am Montag im Heimathafen Neukölln (Karl-Marx-Straße 141, 11. 8., 20 Uhr).

Ist Conor Oberst dann der Philipp Poisel der USA? Nicht wirklich, bei Amerikanern ist das sowieso alles anders, zumal Oberst wahrscheinlich schon im Mutterbauch tragische Melodien summte. Bekannt ist er vor allem dank seiner Band Bright Eyes geworden und hat lange das Bild des schüchternen Indie-Darlings gepflegt: dunkle Kleidung, dunkle Haare, traurige Knopfaugen, düstere Songs voller Angst und Leiden. Die Grenzen zwischen Inszenierung und Wirklichkeit sind fließend, angeblich versteckte sich Oberst beim Bright-Eyes-Konzert 2004 in München zunächst hinter dem DJ-Pult, weil er unter Panikattacken litt. Das ist zehn Jahre her, Oberst hat mittlerweile sein viertes Soloalbum, „Upside Down Mountain“, veröffentlicht und stellt es Dienstag im Postbahnhof vor (Straße der Pariser Kommune 8, 12. 8., 21 Uhr).