Stefan Osterhaus schaut sich in den Galerien von Berlin um

Der Amerikaner Leigh Ledare ist ein Voyeur in der eigenen Familie. Doch er tat es auf Einladung, seine Mutter gewährte ihm Einblick, einmal sogar einen sehr intimen, nackt und mit weit gespreizten Beinen. Sicher, für eine Frau jenseits der sechzig ist sie beeindruckend gut in Schuss, eine Frau, die ihre besten Jahre hinter sich hat, doch die sich ihrer Attraktivität ständig rückversichern muss. Mit Anzeigen in der Tageszeitung wirbt sie um Bekanntschaften, natürlich mit finanziellem Interesse. Ehemals war sie Ballerina, mit 24 hörte sie auf, andere Pläne kamen dazwischen, die Kinder, Familie. Ledare fotografierte. So wurde er zu ihrem Komplizen – für diese Ausstellung, die er zusammen mit Per Billgren realisierte und deren Titel „Something might have been better than nothing …“ sinnstiftend ist. Ihr Apartment ist vollgestopft mit Krempel, die Dame liebt teure Kleidung, sie liebt Pelz, doch das Interieur ist die Entsprechung zum Gelsenkirchener Barock: heimelig bis zur Unerträglichkeit. Und dann ist da auch noch der Schimmelfleck unter der Decke, der nicht wirklich lecker aussieht. Einen Text haben sie ihr gewidmet, ein Text, dessen erste Zeilen nach einer Grabrede klingen, am Ende steht die Erkenntnis, dass Mama nicht unbedingt die Beste ist, doch die Art, in der Ledare wiederum den Betrachter zum Voyeur macht, ist bestechend.

 Ein wenig diskreter stellt es der Maler Alexander Raymond dar, der mit seinen Bildern Einblicke in sein Atelier gibt. Man sieht allerlei Basteleien und Arbeitsgerät, und Raymond verlässt mit seinen Motiven auch gern den Arbeitsplatz und begibt sich nach draußen, in die Nacht: Den Ateliereinsichten stellt er so einen aus Abfall und Schrott zusammengebastelten Höllenhund im Mondschein gegenüber, der erwartungsfroh mit dem Schwanz wedelt. Auch im Atelier ist es schummerig. Aus Dunklem kann viel Dunkles entstehen.

■ Per Billgren/Leigh Ledare: „Something might have been better than nothing“, Do–Sa 11–18 Uhr, bis 14. Mai, Reception, Kurfürstenstr. 5 ■ Alexander Raymond: „Nebensonnen“, Di–Sa 11 bis 18 Uhr, bis 21. April, Galerie Levy, Rudi-Dutschke-Str. 26