Enormes Ausmaß der Überwachung

1,8 Millionen Telefonate hat die Polizei im vergangenen Jahr abgehört und mitgeschnitten

VON SEBASTIAN HEISER

Die Befürworter von Telefonüberwachung behaupten, man mache die Gesellschaft damit sicherer und könne mehr Straftaten aufklären. Doch mit Zahlen lässt sich diese Behauptung nicht belegen. Seit dem Jahr 2006 hat sich die Zahl der mitgehörten Telefonate verdoppelt – aber gleichzeitig ist die Aufklärungsquote aller Straftaten von 50 Prozent auf 44 Prozent gesunken. Es könnte natürlich sein, dass beides unabhängig voneinander passiert ist. Man weiß es nicht. Man müsste dazu erfassen, wie häufig das Instrument der Telefonüberwachung mit Erfolg eingesetzt und der Überwachte am Ende auch verurteilt wird. Aber die Polizei weigert sich bis heute, eine solche Statistik vorzulegen. Und die rot-schwarze Koalition weigert sich leider auch, die Polizei dazu zu verpflichten. Das wäre aber nötig, um den Erfolg oder Misserfolg des Instruments objektiv evaluieren zu können, statt auf eine gefühlte Notwendigkeit zu verweisen.

Transparenz fehlt

Außerdem sollten die Bürger darüber informiert werden, wenn sie abgehört wurden. Und zwar alle Bürger: nicht nur die Verdächtigen, sondern auch ihre Gesprächspartner. Bei den im vergangenen Jahr abgehörten 1,8 Millionen Telefonaten war ja von den beiden Personen immer nur eine verdächtig. Wenn in Zukunft jeder Berliner im Schnitt alle zwei Jahre darüber informiert wird, dass ein Telefonat von ihm abgehört und mitgeschnitten wurde, würde auch das ein besseres Bewusstsein schaffen für das enorme Ausmaß staatlicher Überwachung in dieser Gesellschaft.

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