Jenseits des Nationenpavillons

KUNST Die Biennale in Venedig versucht eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Nation

Noch im September 2010 ging der Goldene Löwe der Architektur-Biennale von Venedig für den besten nationalen Beitrag an das Königreich Bahrain, das dann für die 54. Kunstbiennale einen permanenten Pavillon angefragt hatte. Um nun, am Tag der Biennale-Pressekonferenz in Berlin, seine Teilnahme generell zurück zu ziehen. Tatsächlich lässt die Liste der 88, seit gestern 87 teilnehmenden Länder, an Politik, nicht an Kunst denken. Die arabischen Länder sind mit Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten vertreten, ob Ägypten dabei sein wird, ist noch unklar. Dazu kommen Syrien, der Iran und der Irak. Zimbabwe und die Demokratische Republik Kongo vertreten neben Südafrika den Kontinent, zum ersten Mal ist Bangladesh vertreten. Trotz der weithin unbewältigten Folgen des Erdbebens ist Haiti in Venedig präsent. Da denkt man an Japan, dessen Pavillon in den Guardini neben dem deutschen steht.

Wie wird sich Japan verhalten? “Die Biennale“, sagt Paolo Baratta, ihr Präsident, „ist eine Windmaschine.“ Aber eigentlich ist die Welt selbst die Windmaschine, die alle unsere Gewissheiten durcheinander wirbelt. Am 21. August 2010 starb Christoph Schlingensief, die Wahl der deutschen Kommissarin Susanne Gaensheimer für den deutschen Pavillon, der eine Gedächtnisausstellung gezeigt.

Seit 1999 ist den Nationenpavillons eine große internationale Ausstellung angegliedert, für die ein jeweils neu gewählter Kurator die Verantwortung übernimmt. Das hat mit den immer vorhandenen Zweifeln am Nationenprinzip zu tun, wobei sich für die 116-jährige Geschichte der Biennale durchaus zeigen lässt, dass es für diesen Nationalpavillon in Venedig dann doch avantgardistische Freiheiten gab, die durchaus positiv auf die nationale Kunstszene zurückwirkten. Was sich nun in diesem Jahr wieder zeigt, auf ziemlich dramatische Weise. Die Kuratorin der internationalen Ausstellung ist die Kuratorin am Kunsthaus Zürich und Chefredakteurin der Kunstzeitschrift „Parkett“, Bice Curiger. „Illuminazioni“ ist das Motto ihrer Kunstschau, das den Begriff des Lichts, der Aufklärung mit dem der Nation wiederzusammenbringen möchte. „Fern einer kulturkonservativen Auslegung“, wie Bice Curiger in der italienischen Botschaft in Berlin betont. Sie erkennt in dem Begriff der Nation vor allem das Potential neuer Formen von Gemeinschaft und denkt dabei etwa an den subkulturellen Gebrauch des Begriffs wie er etwa in „Queer Nation“ anzutreffen ist. Ein konservatives Moment betont sie freilich, indem sie von Schutz für die Kunst spricht, vor einer Vulgarisierung, die sie mit der Zunahme von populistischen Konzepten beobachtet. Ansonsten zeigt ihre Künstlerliste, dass sie bei einem Drittel KünstlerInnen unter 35 Jahren auf junge Kunst setzt; und mit Namen wie Llyn Foulkes, Luigi Ghirri oder Jack Goldstein werden ältere KünstlerInnen vorstellt, die die verdiente Anerkennung nach Meinung von Bice Curiger nicht erfahren haben. Dazu werden bei der Eröffnung der Biennale am 4. Juni vier sogenannte Parapavillons zu sehen sein, gestaltet von Künstlern, die darin wiederum Arbeiten anderer Künstler zeigen.

BRIGITTE WERNEBURG