Oper von einer Insel ohne Menschen

Die schottische Insel Sankt Kilda soll zum Epizentrum einer neuen Poetik der europäischen Erinnerung werden

Sankt Kilda ist eine von den Göttern verlassene und von Geheimnissen umwobene Insel im nördlichen Atlantik. Das dort seit undenklicher Zeit lebende Volk wurde 1930 von der schottischen Insel vertrieben und hat Bruchstücke von mythischen Erinnerungen und unlösbare Rätsel hinterlassen. Das multinationale Opernprojekt „The Island of the Birdmen“ ruft die Kulturen des Nordens wieder in Erinnerung, die Geburtsstätten vieler großer europäischer Mythologien. Die Inszenierung soll eine Verknüpfung von Oper, Dramatik und Extrem-Choreographie herstellen.

Fünf europäische Städte werden im Juni zu einer gemeinsamen virtuellen Bühne. In Glasgow, in der französischen Stadt Valenciennes, im belgischen Mons, in Hallstatt in Österreich und in Düsseldorf findet synchron die Uraufführung statt. Mit Hilfe von Satelliten und Hochgeschwindigkeits-Internetübertragungen entsteht eine poetische und musikalische Allgegenwärtigkeit in allen Ländern. Die Europäische Union trägt deshalb mit 900.000 Euro die Hälfte der Gesamtkosten für das musikalische Projekt.

Die von dem Schotten David Graham und dem Belgier Jean-Paul Dessy komponierte Oper beschäftigt sich mit der verschwundenen Zivilisation am Rande Europas. Hintergrund ist die damalige Emigration der Inselbewohner, die sich über Generationen als wagemutige Klippenkletterer von Seevögeln ernährt hatten, auf das schottische Festland. „Auf diese Historie wollen sich die fünf Orte mit ihren eigenen Evakuierungs-Geschichten beziehen“, sagte Regisseur Frank Schulz, der das Spektakel in Deutschland leitet. Schauplatz der Uraufführung mit Kletterspezialisten am Rhein soll der futuristische Innenhof eines Gebäudes am Medienhafen sein.

Die Themen der Düsseldorfer Produktion reichen von der Auswanderung aus ländlichen Gebieten in Nordrhein-Westfalen bis zur Umsiedlung ganzer Dörfer aus dem rheinischen Braunkohlerevier. In der Landeshauptstadt wirkt dafür ein 40-köpfiges Ensemble mit, wobei der Schwerpunkt auf einem Chor als Symbol des urtümlichen Parlamentes der Insel liegt. Aus St. Kilda live eingeblendet werden dann Choreografien von den vom Meer umtosten Klippen. Die von dort kommenden Tonwellen werden mit den übrigen Tonquellen kombiniert werden und verschmelzen.

Damit wird die Verbindung zwischen der so genannten zivilisierten Welt und der verlassenen Insel im Ozean wieder hergestellt. Aber auch untereinander sollen Bilder und Töne vernetzt werden. „Nur wenn die britische Fernsehgesellschaft BBC wie bisher geplant bei der Oper mitmacht, kann es gelingen, die fünf Premieren untereinander zu verbinden“, sagt Regisseur Schulz. PEL