LESERINNENBRIEFE
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Kritik an einem Krieg

■ betr.: „Der Holocaust, Israel und du“, taz vom 5. 8. 14

Ein Journalist der Frankfurter Rundschau beschwerte sich neulich über eine Frau, die ihn bei einer kleinen Auseinandersetzung über den Gebrauch des Zebrastreifens unvermittelt mit „Du Nazi Hure“ beschimpfte. Zu Recht wies er sie – die das aber wahrscheinlich nie lesen wird – in der FR darauf hin, dass man Leute, die man noch nicht so gut kennt, mit Sie anspricht, dass er zudem als Mann deutlich zu erkennen gewesen sei und dass es deshalb korrekt hätte heißen müssen „Sie Nazi Hurensohn“.

taz-Autor Deniz Yücel spricht – ja schreit mich fast schon – in mehreren Beiträgen an mit „Du ewiger Deutscher“ oder „Du kapierst das nicht“, „Du, lass das“ oder auch „Du hast keine Empathie für lebende Juden“. Will er komisch sein, wenn er mir und allen anderen Deutschen todernst verbietet, Israel wegen seines Krieges gegen Gaza zu kritisieren? Dabei könnte ihn doch allein der Blick auf das Foto über seiner Kolumne, auf die die 888.256 schönen roten Keramik-Mohnblumen, die allein für die englischen Opfer des Ersten Weltkriegs stehen – oder der Gedanke an die Millionen Opfer des Zweiten Weltkrieges oder die 2,5 Millionen Vietnamesen, die dem auf Lügen und falschen Beweisen aufgebauten Krieg, erst der Franzosen, dann der USA zum Opfer fielen oder der ungezählten Iraker bei demselben Spiel von Bush und Blair –, all das könnte Yücel doch auch veranlassen, seine Feder dafür zu verwenden, Kritik an Kriegen und Kriegsverbrechen, an Lügen und Kriegspropaganda, zu ermutigen. Auch gerade aktuell, Kritik an einem Krieg, von dem die israelische Regierung sagt, dass es nie einen gerechteren gegeben hätte, was angesichts der Kriegsverbrechen an Zivilisten und, besonders schmerzlich, an Kindern, nur schwer zu ertragen ist. Damit wäre Yücel viel mehr das, was er wohl sein will: originell. So schwimmt er nur im journalistisch drittklassigen, verlogenen und spießbürgerlichen Mainstream Journalismus des Politiker-Pressemitteilungs-Verlesens mit.

Yücel schreibt „Der Holocaust, Israel und du“. Hey Yücel, lern Englisch, statt mit Habermas, Walser und Pohrt zu jonglieren; und schau dir dann BBC-World News an, am besten die Berichte der wunderbaren Chefreporterin Lyse Doucet, die nicht nur die Kinder unter den syrischen Fassbomben begleitet hat, sondern auch im Gaza live dabei ist, wenn dort die Kinder von Ein-Tonnen-Bomben, Panzer-Artillerie- und Schiffskanonen massakriert werden. Aber du wirst wahrscheinlich auf deinem eigenen, spezifisch deutschen Humor bestehen und weiterhin schreiben wollen. Kritik? „Besser: Du lässt es.“ Nur Mut, wie wär’s mit „Besser: Du lässt es, du Nazi Hure“?

MALTE RAUCH, Frankfurt am Main

Kapitalprofite ausschalten

■ betr.: „Bezahlbare Mieten – statt Rendite“, taz vom 2. 8. 14

Danke für diesen Artikel von Claus Schreer, der das Problem der verfehlten Wohnungsbaupolitik auf den Punkt bringt: anstatt in bezahlbare Wohnungen für alle BürgerInnen zu investieren, werden nur investorenfreundliche Mietgesetze erlassen und entsprechende Projekte gefördert. Dabei sollte es doch Aufgabe des Staates sein, für eine angemessene Unterkunft Sorge zu tragen. Schließlich haben sich die Staaten mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und durch den UN-Sozialpakt verpflichtet, das Menschenrecht auf angemessenes Wohnen zu garantieren. Dazu zählt sicher nicht, dass MieterInnen durch exorbitante Mietsteigerungen gezwungen sind, aus ihrem gewohnten Umfeld verdrängt zu werden. Zudem besteht seit Langem eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Lohnsteigerungen und den Steigerungen der Mietpreiskosten. Daher kann der Forderung Claus Schreers auf eine Neuausrichtung des Wohnungsneubaus und der Umstellung des gesamten Bodenrechts nur zugestimmt werden, denn sozialen Wohnungsbau kann es nur unter völliger Ausschaltung von Kapitalprofiten geben.

HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Fürchterlicher Event-Charakter

■ betr.: „Spießer im Freiheitstaumel“, taz vom 5. 8. 14

Den kommerziellen Ausverkauf dieses einst sehr urigen Metal-Festivals finde ich sehr bedauerlich. Seit fast 20 Jahren höre ich Metal und bin selbst Musikerin. 1997 habe ich erstmals das WOA besucht, was damals mit zwei Bühnen noch einen sehr entspannten Charakter hatte und man vor allem sehr viele Leute traf, die ebenfalls wegen der Mucke da waren. Das war bereits vor einigen Jahren schon nicht mehr der Fall. Das Festival hat mittlerweile einen fürchterlichen Event-Character bekommen; Leute, die normalerweise wahrscheinlich eher auf Helene Fischer oder Ähnliches stehen, kommen nach Wacken, um sich die Freaks in Kutten mal aus der Nähe anzuschauen, wie auch Frank Schäfer schrieb. Ist ja anscheinend total angesagt, einmal im Leben auf dem Wacken gewesen zu sein … Daher wird natürlich auch immer mehr überflüssiger Schnickschnack präsentiert. Im Gegensatz zu Frank Schäfer finde ich allerdings auch diese zunehmende „Schlagerisierung“ des Metals echt gruselig: Nein, Schlager und Metal passen definitiv nicht zusammen, dies ist nur ein trauriges Anzeichen dafür, dass anscheinend Bands versuchen, weitere Zielgruppen abzuschöpfen, unabhängig vom schlimmen musikalischen Resultat (siehe Arch Enemy). Auch „Musiker“ wie Doro haben für mich immer schon in diese Kategorie gehört. Aus diesen Gründen habe ich mich letztes Wochenende nicht auf dem WOA herumgetrieben, sondern war mit meinem Mann auf dem Burg Herzberg Festival.

Eine interessante Begebenheit war, dass wir dort einen gewissen Literaten trafen, der anscheinend auch mehr als genug Wahrheiten über Wacken herausgefunden hat! Trotzdem Rock ’n’ Roll!

NADINE aus Braunschweig