Schering droht Entlassungswelle

Der Betriebsrat der Bayer Schering AG geht von einem Abbau von 1.300 Stellen aus. Wirtschaftssenator Wolf glaubt dennoch an eine Stärkung des Berliner Standorts

Dem Berliner Werk der ehemaligen Schering AG droht ein massiver Personalabbau. Der Bayer-Konzern mit Sitz in Leverkusen wollte dies gestern zwar nicht bestätigen. Doch über dem Betriebsrat des früheren Schering-Stammwerk im Wedding sickerte durch, dass insgesamt 1.300 Stellen der knapp 5.500 Stellen gefährdet sind.

Dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Norbert Deutschmann zufolge steht vor allem der Verwaltungsbereich unter Druck. Er befürchtet zudem, dass große Teil der Entwicklungen zum Bayer-Stammsitz nach Leverkusen verlagert werden.

Bayer hatte Schering, das bis zur Übernahme das einzige DAX-notierte Unternehmen Berlins war, vergangenes Jahr nach einer Bieterschlacht mit dem Darmstädter Konkurrenten Merck für knapp 17 Milliarden Euro übernommen. Stellenabbau wurde damals bereits erwogen, aber von der nun kursierenden Höhe war nicht die Rede. Bayer will weltweit 6.000 der 60.000 Stellen abbauen. Zahlen für die einzelnen Standorte sollen nach Konzernangaben genannt werden, wenn die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern abgeschlossen sind. Voraussichtlich Anfang März werde die Belegschaft informiert.

Die Wirtschaftsverwaltung wollte die herumgeisternde Zahl gestern nicht bestätigen. Wirtschaftssenator Harald Wolf habe am Morgen noch mit einem Vorstandsmitglied des Bayer-Konzerns telefoniert und sich versichern lassen, dass der Ausgang der Verhandlungen zwischen Konzernzentrale und Betriebsrat noch völlig offen sei. „Jede genannte Zahl ist eine unsichere Zahl“, sagte Wolfs Sprecherin Petra Schwarz. Der Wirtschaftssenator habe vorsorglich die Bayer-Führung aufgefordert, bei dem geplanten Stellenabbau auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Positiv bewertet habe Wolf, dass der neue Konzern seine Forschungsaktivitäten jetzt in Wuppertal und Berlin bündele, sagte Schwarz. Das könnte eine Stärkung Berlin bedeuten.

Das sehen die Grünen anders. Ihre wirtschaftspolitische Sprecherin im Abgeordnetenhaus, Lisa Paus, sprach von einem „Schock“, der den gesamten Gesundheitsstandort Berlin gefährde. Zwar habe Wolf zum Zeitpunkt der feindlichen Übernahme nichts mehr machen können, die regionalpolitischen Maßnahmen seien begrenzt, sagte Paus. Allerdings hätte der Wirtschaftssenator den Dialog mit der Industrie früher aufnehmen müssen und nicht erst nach der Übernahme, kritisierte die Grünen-Politikerin. Die Übernahmeversuche seien vorher bereits bekannt gewesen. „Insofern hat die Politik schon versagt.“

FELIX LEE