Die Feuerwehr-Diplomatie

Retten, was noch zu retten ist: Derzeit geben sich Präsidenten und Außenminister im Nahen Osten die Klinke in die Hand

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

„Wir könnten das nächste Jahr mit drei Bürgerkriegen im Irak, im Libanon und in den palästinensischen Gebieten beginnen.“ Der jordanische König Abdallah und heutige Gastgeber des US-Präsidenten George Bush ließ vor kurzem wenig Zweifel daran, was mit der Nahost-Region geschehen könnte, wenn jetzt nicht politisch interveniert wird.

Abdallah steht nicht alleine mit seiner düsteren Einschätzung. So hat jetzt eine „Retten, was noch zu retten ist“-Diplomatie eingesetzt, die im Nahen Osten der letzten Jahre ihresgleichen sucht. US-Präsident Bush macht sich nach dem Nato-Gipfel in Riga auf den Weg in die jordanische Hauptstadt Amman, um dort heute zusammen mit dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki das weitere Vorgehen im Irak zu besprechen. Der Besuch fällt auch in eine Zeit, in der Washington auf die Ergebnisse der vom ehemaligen US-Außenminister James Baker angeführten „Irak-Studien-Gruppe“, wartet, die nach Presseberichten eine „aggressive regionale diplomatische Initiative“ und eine stärkere Zusammenarbeit mit Iraks Nachbarn Syrien und Iran vorschlagen wird (siehe unten). Gleichzeitig befindet sich der irakische Präsident Dschalal Talabani auf einem historischen Staatsbesuch in Teheran, dem ersten eines irakischen Staatsoberhaupts seit vier Jahrzehnten, und bittet um iranische Unterstützung, sein vor dem Bürgerkrieg stehendes Land zu stabilisieren. Während US-Vizepräsident Dick Cheney die saudische Position in Riad auslotet und der israelische Premier Ehud Olmert wohl nicht zufällig diesen Moment gewählt hat, um seine bisher versöhnlichste Rede in Richtung der Palästinenser zu halten, und versucht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

Soweit die Mosaiksteine der neuen Feuerwehrdiplomatie. Die arabischen Medien hoffen auf eine amerikanische Kehrtwende. „Die US-Regierung hat die Wahlen in den USA und den Krieg im Irak verloren. Was Bush noch bleibt, ist, diese Niederlage zuzugeben“, kommentiert die überregionale arabische Tageszeitung al-Hayat und führt weiter aus: „Wir erwarten nicht, dass Bush jetzt die weiße Fahne herausholt und kapituliert, aber er muss jetzt nach einer alternativen Politik in der Region suchen.“

Es war allerdings Bush selbst, der noch vor seiner Ankunft in Amman allzu große Erwartungen vor allem auf eine US-Annäherung an Iran und Syrien zur Stabilisierung des Iraks dämpfte. Der US-Präsident will sich immer noch nicht in die Rolle des Bittstellers begeben, sondern fährt weiter fort, Forderungen an Teheran und Damaskus zu stellen. Er schloss jegliche direkten Gespräche mit der iranischen Führung aus, solange diese ihr Atomprogramm nicht aufgebe, und fordert Syrien und den Iran auf, den Irak nicht mehr zu destabilisieren. Immerhin erklärte er, den Gesprächen des irakischen Präsidenten in Teheran nicht entgegenstehen zu wollen. „Wenn der Iran sich im Irak engagiert, dann sollte das auf konstruktive Weise geschehen“, verlangte Bush. Die Frage steht jetzt im Raum, warum der Iran den USA im Irak aushelfen soll, ohne dass Washington dafür einen Preis bezahlt. Zumal im Iran immer noch das Gefühl vorherrscht, als nächstes auf der US-Abschussliste zu stehen, sollte das Projekt im Irak wider Erwarten doch noch gut ausgehen.

Nichtsdestotrotz wurde für den irakischen Präsidenten Talabani am Montag in Teheran bei seinem zweitägigen Besuch der rote Teppich ausgerollt. „Wir haben iranische Hilfe bitter nötig, um im Irak wieder Sicherheit zu schaffen“, erklärte Talabani unumwunden. Zumindest in Worten kam ihm sein iranischer Amtskollege Mahmud Ahmedinedschad entgegen: Seine Regierung werde alles tun, um die Sicherheitslage in dem Nachbarland zu verbessern, erklärte er nach einem Treffen mit Talabani. „Ein stabiler und machtvoller Irak liegt im Interesse der gesamten Region“, wird er später vom staatlichen iranischen Fernsehen zitiert. Das geistliche Oberhaupt Irans, Ajatollah Ali Chamenei, machte nach einem gestrigen Treffen mit Talabani die USA und ihre regionalen Verbündeten für die Gewalt im Irak verantwortlich. Zugleich betonte er aber auch, dass der Iran großes Interesse an einem sicheren und entwickelten Nachbarland habe.

Der Iran ist derzeit hin und her gerissen, zwischen dem Wunsch, die US-Truppen entweder solange wie möglich im Irak beschäftigt zu halten, und der Angst, dass die Lage im Nachbarland so eskaliert, dass sie sogar den Iran destabilisieren könnte. Ahmadinedschads Worte deuten zumindest darauf hin, dass das iranische Pendel zunehmend in Richtung Stabilisierung des Iraks ausschlägt. Aber für die iranische Führung dient der Talabani-Besuch auch dazu, sich als Regionalmacht zu etablieren und Washington klarzumachen, dass ohne Teheran im Irak nichts geht.

So wird denn auch bei dem heutigen Treffen in Amman zwischen Bush und Maliki erwartet, dass der irakische Premier mit dem US-Präsidenten nicht nur einen möglichen Zeitplan für einen teilweisen amerikanischen Truppenrückzug besprechen wird, sondern auch, dass Maliki darum bitten wird, den Iran und Syrien stärker in eine Lösung der Irakkrise einzubeziehen.

Die überregionale arabische Tageszeitung a-Schark al-Aussat setzt ihre Hoffnungen auf die neuen diplomatischen Initiativen und beschwört in einem Kommentar in ihrer gestrigen Ausgabe eine „Änderung der Windrichtung“ in der Region, sei es im Irak oder im israelisch-palästinensischen Konflikt. „Jahre der Verzweiflung und verlorener Hoffnung machen es nicht gerade einfach, optimistisch zu sein“, schreibt die Zeitung und warnt: „Sollte sich der Wind nicht drehen, wird es mit der Region schneller bergab gehen, als wir uns das heute vorstellen können.“