Baum in Not

Über 90 Prozent aller Berliner Bäume sind krank – so viele wie noch nie, heißt es im Waldbericht Berlin-Brandenburg. Eine Ursache ist die Klimaerwärmung. Aber auch das gefräßige Wild ist schuld

VON MARKUS WANZECK

Zieht ein Gewitterregen herauf, warnt der Volksmund: „Buchen sollst du suchen, von Eichen sollst du weichen.“ Letzteres dürfte zunehmend leichter fallen: Der Gesundheitszustand der städtischen Eichen verschlechtert sich seit Jahren. Und eine Genesung ist nicht in Sicht. Das geht aus dem diesjährigen Waldzustandsbericht hervor, den gestern die Länder Berlin und Brandenburg veröffentlicht haben.

Nur noch 2 Prozent der Berliner Eichen sind demzufolge gesund – vor zehn Jahren hatte der Anteil immerhin noch bei einem Drittel gelegen. Der Gesamtanteil aller geschädigten Bäume im Stadtgebiet liegt dieses Jahr bei knapp 92 Prozent – so hoch wie noch nie. Insgesamt ist nur noch ein Drittel der Berliner und Brandenburger Wälder als rundum gesund zu bezeichnen. 1999 lag der Anteil noch bei 57 Prozent. In der gesamten Region sind 18 Prozent der Waldfläche deutlich geschädigt (Vorjahr 14 Prozent), in Berlin ist es sogar ein Drittel.

„Die Ursachen für diese Entwicklung sind wohl vor allem in der Klimaerwärmung zu suchen“, sagt Martina Heinitz, Referentin für Waldbau beim brandenburgischen Landwirtschaftsministerium. „Die Niederschlagsmenge hat seit einigen Jahren abgenommen. Darunter haben besonders die Eichen zu leiden.“ In Berlin sei zudem die Schadstoffbelastung in den Waldböden sehr hoch.

Einen weitere Ursache benennt Tom Kirschey, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Brandenburg: „Der Grundwasserspiegel hat sich zum Teil dramatisch abgesenkt.“ In der Uckermark sei seit 1996 eine Absenkung von 1,5 Metern beobachtet worden. Die mangelnde Wasserzufuhr schwäche die Bäume.

Auch der hohe Anteil an Nadelwäldern – immerhin 87 Prozent der 1,1 Millionen Hektar Brandenburger Waldfläche – sorgt dafür, dass sich das Grundwasser immer weiter absenkt. „Die Grundwasserneubildung ist unter Laubbaumarten um ein Vielfaches höher als unter Kiefern“, so Heinitz. Im Zuge eines Waldumbaus ist deshalb geplant, den Mischwaldanteil in Brandenburg bis 2050 auf über 40 Prozent zu erhöhen.

Nabu-Chef Kirschey sieht allerdings auch dabei ein Hauptproblem nicht gelöst: „Der Wildbestand ist bei weitem zu hoch.“ Die Tiere würden die Jungbäume einfach wegfressen. Es gebe Gegenden, in denen kein Baum jünger als 20 Jahre alt ist. Das brandenburgische Umweltministerium weiß um die Wildplage. Allerdings, so Heinitz: „Alle Versuche, diese einzudämmen, sind bislang gescheitert.“

Für Berlin hätte nach Ansicht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine andere Maßnahme besonders segensreiche Folgen: das Absenken der Auto- und Heizungsabgase – und damit der direkten Ozonbelastung für die Bäume. „Besonders schlimm werden die Bäume von den Abgasen der Mopeds geschädigt“, sagte ein Sprecher des Senats. Die Zweitaktmotoren würden viele gefährliche Stoffe unverbrannt verlassen. Die Einführung eines Fahrverbots erscheine ihm zwar im Moment nicht realistisch. Im Prinzip aber wäre das ein Schritt in die richtige Richtung.