„Kramnik spielt schlau“

Der Computer Deep Fritz führt gegen den russischen Schachweltmeister. Doch Mathias Feist, Bediener und Entwickler des Programms, glaubt noch nicht an die Überlegenheit der Denkmaschine

INTERVIEW HARTMUT METZ

Mathias Feist sitzt insgesamt sechsmal Schachweltmeister Wladimir Kramnik gegenüber. Obwohl der 45-jährige Programmierer den Russen in der zweiten Partie sogar matt setzte, verkörpert er natürlich nicht die neue deutsche Schachhoffnung. Der Landesliga-Spieler vom MTV Tostedt (vierte Liga) bedient derzeit in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle das Programm Deep Fritz. In dem mit einer Million Dollar dotierten Match zwischen Mensch und Maschine steht es zur Halbzeit des Wettkampfs 2:1 für Deep Fritz. In der dritten Partie verbuchte das Programm erstmals leichte Vorteile, ohne diese in einen Sieg ummünzen zu können. Seit 1991 entwickeln der Niederländer Frans Morsch und Feist den Schach-Bestseller Fritz, der bis zu seiner aktuellen zehnten Version weit mehr als eine Million Mal verkauft wurde.

taz: Herr Feist, wie ist es, als Landesliga-Spieler gegen den Weltmeister anzutreten?

Mathias Feist: Das ist ein Traum. Was kann man sich im Schach mehr wünschen, als gegen den Weltmeister zu spielen? Da meine eigene Spielstärke nicht ganz ausreicht, erreiche ich das dadurch, dass ich denken lasse.

Genügt das, um Kramnik zu schlagen?

Ich glaube, wir gewinnen 3,5:2,5.

Haben Sie als Landesliga-Spieler das überraschende Matt in der zweiten Partie gesehen, als der Weltmeister patzte?

Nein. Das entging mir auch völlig. Ich überlegte noch verzweifelt, warum Deep Fritz Kramniks Damenzug nach e3 überhaupt nicht berechnet hatte, und glaubte an einen Defekt! Das Matt zeigte das Programm dann aber natürlich sofort an.

Welche Partien wühlen Sie mehr auf: Ihre eigenen in der Landesliga oder die als Bediener von Deep Fritz?

Die von Fritz, weil ich darauf weniger Einfluss habe. Meine Arbeit ist vor der Partie abgeschlossen.

Langweilen Sie die vier, fünf Stunden am Brett?

Die Zeit vergeht ähnlich wie in meinen eigenen Partien: Ich versuche die Stellung zu verstehen. Außerdem sehe ich nach, was Fritz macht und wie es die Position beurteilt. Das ist wichtig, weil ich im Falle eines Remis-Angebots entscheiden muss, ob wir es akzeptieren.

Was halten Sie vom Top-Programm „Shredder“ des Düsseldorfers Stefan Meyer-Kahlen und dem dominierenden „Rybka“ von Vasik Rajlich?

Wenn man Computer gegeneinander spielen lässt, liegt momentan leider Rybka vorne. Gegen Kramnik ziehe ich Fritz eindeutig vor, weil es positionell viel mehr weiß. Shredder geht mehr in die Fritz-Richtung und weiß ebenfalls mehr vom Schach.

Haben Sie schon einmal einen eigenen Zug statt den des Programms ausgeführt?

Ja, das ist schon lange her. Ich führte einen falschen Zug aus, weil meiner logischer war. Bei einem Showmatch gegen Garri Kasparow sah ich im Eröffnungsbuch, dass der Läuferzug nach b7 der Theorie entsprach. Kasparow packte den Läufer an, hob ihn hoch, und ich gab Läufer nach b7 ein. Drei Züge später merkte ich erst, dass er den Läufer nach a6 gezogen hatte. Seit dieser Erfahrung mache ich langsamer und schaue noch mal genau hin.

Die aktuelle Fritz-Version berechnet zwischen acht und zehn Millionen Stellungen pro Sekunde. Mehr als doppelt so viele wie Fritz 7 in Bahrain 2002 beim 4:4 gegen Kramnik. Wie viele Züge kann das Programm heute vorausrechnen?

Gibt es eine klare Gewinnfortsetzung, wird das Programm schneller und verwirft Züge rascher. Im Endspiel rechnet Fritz bei weniger Möglichkeiten auch flotter. Die höchste Suchtiefe in der ersten Partie lag bei 15 Zugpaaren.

Wie würde ein Wettkampf über sechs Partien zwischen Ihnen und Fritz enden?

Das kann ich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen: 0:6.

Nicht einmal Sie wissen, wie man es schlagen kann?

Ich weiß es im Prinzip, kann es jedoch nicht umsetzen. Man muss Stellungen herbeiführen, in denen Fritz ein Plan fehlt. Ich möchte es angesichts des Duells gegen Kramnik nicht zu sehr vertiefen. Man muss die Stellung verrammeln, um danach einen langfristigen Plan auf einem Flügel einzuleiten. Dann reicht die Suchtiefe von Fritz nicht. Das lassen wir jedoch gegen Kramnik nicht zu.

Im Raumschiff „Enterprise“ erkennt Mr. Spock, dass der Bordcomputer eine Macke haben muss, da er ihn plötzlich im dreidimensionalen Schach schlägt. Wann sind Schachprogramme unbesiegbar für Menschen?

Ich schätze, das ist in fünf bis zehn Jahren der Fall.

Ist die Aussicht auf ein 0:6 nicht deprimierend für Sie?

Nein, es ist ja auch ganz nett, wenn mein Kind so gut wird. Ich sitze dann im Prinzip ebenso auf der anderen Seite und schlage mich dann eben selbst mit 6:0.

Aber wird Schach durch die Überlegenheit der Maschine nicht entzaubert und der Mensch verliert die Lust am Spiel dagegen?

Nein. Fritz kann sich der Spielstärke des Gegners anpassen und gewinnt dann nicht mehr als sechzig Prozent der Partien. Dieser spezielle Modus nennt sich „Freund“.

Schalten Sie den „Freund“-Modus demnächst gegen Kramnik ein?

Ich glaube nicht, dass das hier schon der Fall sein wird. Bisher spielte Kramnik sehr stark und besaß Vorteile. Er spielt schlau und kann so noch länger bestehen.