Eto’o und die Eifersucht

Ausgerechnet vor dem heutigen Champions-League-Gipfeltreffen gegen Liverpool gibt es Unruhe beim FC Barcelona, weil der wiedergenesene Samuel Eto’o seinen Ehrgeiz nicht kontrollieren kann

aus BARCELONA RONALD RENG

Nur Silvinho hat niemand etwas gesagt. Der Verteidiger des FC Barcelona betritt um zwanzig vor elf den von der Sonne liebkosten Fußballplatz, zehn Minuten nach offiziellem Trainingsbeginn, aber Silvinho ist zu früh. Es ist niemand da. Silvinho dehnt die Muskeln und wartet. Und wartet. Nach 15 Minuten geht ihm auf, dass irgendetwas nicht stimmt. Er kehrt in die Umkleidekabine zurück. Dort findet, am vergangenen Mittwoch, gerade die sechste Gesprächsrunde des Morgens zum Fall Samuel Eto’o statt. Den braven Silvinho hatten die Kollegen einfach vergessen.

Es gab so viel zu besprechen: Der Kapitän mit Eto’o, der Trainer mit Eto’o, die gesamte Mannschaft und wieder von vorne, nachdem Samuel Eto’o aus Kamerun, 26 und einer der fünf besten Stürmer der Welt, sich verweigert hatte, als ihn Trainer Frank Rijkaard erst fünf Minuten vor Schluss des Ligaspiels gegen Santander einwechseln wollte. Im Profigeschäft ist dies die Todsünde: auf dem Platz die Anweisung des Trainers zu missachten.

So wird heute, wenn Barça, der Champions-League-Sieger 2006, den Gewinner von 2005 FC Liverpool zum Achtelfinale empfängt (20.45, DSF), nicht über den wunderbaren Fußballer Eto’o geredet, sondern gefragt, was für ein wundersamer Typ das doch ist. Viele Medien meldeten, Eto’o wolle einen Vereinswechsel provozieren. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Eto’o, der mit 16 alleine am Madrider Flughafen ankam, um es zu schaffen als Fußballer, befindet sich in einem Dauerzustand der Rebellion gegen die eigenen Grenzen. Nicht zu erreichen, was er will, regt ihn auf, reibt ihn auf, und wenn er wie jetzt, viereinhalb Monate nachdem ihm der Meniskus riss, noch immer nicht richtig mitspielen darf, obwohl er sich das fest vorgenommen hat, explodiert etwas in ihm.

Ramon Cugat, sein Arzt, kannte Eto’o gut genug. Cugat schätzte, die Wiedergenesung würde fünf Monate dauern, also sagte er Eto’o: Sechs Monate. So wollte er Eto’o vor sich selbst schützen. Er wusste, Eto’o wollte unbedingt früher als vorausgesagt zurück sein. „Ich sitze zu Hause und glotze Fußball, Fußball, sogar dritte Liga“, berichtete Eto’o aus dem Krankenstand, „ich kann nicht mehr warten, eines Tages werde ich mich in den Fernseher werfen, um eine Flanke ins Tor zu köpfen.“ Dreieinhalb Monate nach der Verletzung trainierte er wieder. Trainer Rijkaard sagte ihm, du bist noch nicht so weit, richtig mitzuspielen. Eto’o wärmte sich gegen Santander auf, hörte das Geschrei der 80.000, als Ronaldinho seine Tore schoss, als der ebenfalls lange verletzte Leo Messi zurückbegrüßt wurde, und hielt es nicht mehr aus vor Eifersucht.

Als er tags darauf mitbekam, wie er für seine Befehlsverweigerung kritisiert wurde, kam die Wut. Zwei Minuten lang schimpfte er: Ronaldinho, nicht er, denke doch nur an sich, der Trainer sei „ein schlechter Mensch“, und und und. Die Grenze zwischen Ehrgeiz und Egoismus ist dünn. Samuel Eto’o hat seit jeher Probleme, sie zu erkennen.

Liebe liegt in der Luft am vergangenen Mittwoch. Ronaldinho umarmt Eto’o auf dem Trainingsplatz, auf den sie mit über 30 Minuten Verspätung endlich getreten sind. Die Welt soll sehen, alles geklärt in dem Gesprächsmarathon, alles verziehen. Eto’o selbst gibt sich einsichtig, obwohl er auch gegen Liverpool noch immer nicht in der Startelf stehen wird. Nur Mannschaftskapitän Carles Puyol ist ein wenig müde. „Das sind die weniger schönen Tage eines Kapitäns“, sagt er, „um 8.45 Uhr war ich schon im Stadion für all diese Gespräche.“